"Den Islam aus Gefängnissen befreien“

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Ab dem Jahr 2015 plant die Universität Wien islamische Theologie als Studium anzubieten. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits unter der Leitung des Religionspädagogen Ednan Aslan. Die FURCHE sprach mit ihm über die größten Herausforderungen dieses Vorhabens.

Das Gespräch führte Michael Weiß

Islamische Theologie im europäischen Kontext - das hat in den vergangenen Wochen immer wieder für Aufsehen gesorgt: In Deutschland verlangen muslimische Verbände die Absetzung des Leiters für Islamische Theologie an der Universität Münster und FURCHE-Gastautors Mouhanad Khorchide. In Österreich gibt es derzeit keine islamische Theologie auf universitärer Ebene, aber das soll sich bald ändern. Der Religionspädagoge Ednan Aslan leitet eine Plattform, die die Einrichtung des neuen Studiengangs an der Universität Wien vorbereitet.

Die Furche: Herr Aslan, die islamische Theologie hat sogar im Regierungsprogramm ihren Niederschlag gefunden. Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen?

Ednan Aslan: Wir haben einen Entwurf für das Curriculum, der jetzt noch den universitären Prozess durchlaufen muss. Wir haben nicht den Fehler gemacht, der in Deutschland gemacht wurde: Wir haben die Islamische Glaubensgemeinschaft nicht ausgeschlossen, sondern sie von Anfang an involviert. Nicht mit Veto-Rechten, sondern als Partner, der Empfehlungen geben kann. Diese Zusammenarbeit funktioniert grundsätzlich gut. Die Glaubensgemeinschaft ist ein Teil dieses Prozesses, sie kann uns aber nicht vorschreiben, wie wir hier an der Universität Wissenschaft betreiben sollen.

Die Furche: Wann wird das Studium starten können?

Aslan: Ich gehe davon aus, dass wir wie geplant im Wintersemester 2015 mit dem Studium starten können. Unter anderem ist natürlich die Finanzierung eine wichtige Frage, da braucht es noch Gespräche mit dem Ministerium.

Die Furche: Wer wird dann in Wien islamische Theologie lehren?

Aslan: Wir haben sehr früh angefangen, Nachwuchsarbeit zu leisten. Es gibt derzeit sechs Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die mit internationaler Betreuung hier an der Universität in verschiedenen Bereichen der islamischen Theologie promovieren. Ich gehe davon aus, dass wir da in den nächsten eineinhalb Jahren einige sehr gute Absolventen haben werden, die sich für eine solche Stelle bewerben können. Darüber hinaus gibt es im deutschsprachi-gen Raum noch einige geeignete Personen, die gern nach Wien kommen würden, aber das wird sich zeigen.

Die Furche: Wie viele Professuren wird es geben?

Aslan: Wir gehen davon aus, dass wir drei Professoren brauchen werden. Ob wir gleich mit drei ordentlichen Professuren anfangen werden können, weiß ich nicht. Wir legen jedenfalls Wert darauf, dass wir Leute einstellen, die den europäischen Kontext gut kennen. Solche Leute werden wir suchen. Wenn die Suche nicht erfolgreich verläuft, kann ich mir aber auch vorstellen, dass wir junge Leute mit einer Qualifikationsvereinbarung einstellen, die dann im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit auch eine Habilitationsschrift verfassen.

Die Furche: Wie viele neue Imame braucht Österreich eigentlich pro Jahr - und wie viele wollen Sie ausbilden?

Aslan: Unser Ziel ist es nicht nur, Imame auszubilden; wir wollen Theologinnen und Theologen ausbilden. Wie viele davon dann als Imame bestellt werden, hängt von der Glaubensgemeinschaft ab. Ich schätze aber, dass etwa zehn bis fünfzehn Imame pro Jahr eine Stelle finden könnten. Unsere Absolventinnen und Absolventen werden aber auch als Seelsorger, etwa in Krankenhäusern oder Vollzugsanstalten oder - mit Zusatzausbildung - als Religionslehrer arbeiten. Insgesamt würde ich für den Anfang mit circa 30 Studierenden rechnen.

Die Furche: Einen wirklichen Mangel an Imamen scheint es nicht zu geben. Warum kann man dann nicht beim System bleiben?

Aslan: Kein Land auf der Welt kann es sich leisten, dass andere Staaten seine religiöse Bildung übernehmen und gestalten. Genau das passiert aber derzeit bei uns. Die Imame, die in Österreich arbeiten, werden in der Türkei oder in Ägypten ausgebildet. Das ist aber sehr riskant, weil dabei natürlich eigene Interessen verfolgt werden - und diese entsprechen in der Regel nicht jenen der österreichischen Muslime. Wenn wir uns die aktuellen Entwicklungen in der Türkei ansehen, dann wissen wir, wie wichtig es ist, dass wir unsere Imame selbst ausbilden.

Die Furche: Wenn an Österreichs Moscheen ein so traditionelles Bild des Islam gelehrt wird, hat dann ein universitäres Theologie-Studium überhaupt eine Chance, angenommen zu werden?

Aslan: Wenn heutzutage von den Muslimen die Rede ist, meint man meistens eine Handvoll Moscheen in Wien - aber das sind nicht "die Muslime“. Nur zehn bis 15 Prozent der Muslime sind Mitglieder in Moscheevereinen oder ähnlichen Organisationen. Wir dürfen den Islam aber nicht auf diese Organisationen reduzieren. Wir müssen die Mehrheit betrachten, und ich bin überzeugt, dass diese Mehrheit einen neuen Islam europäischer Prägung annehmen würde. Dass die angesprochenen Organisationen mit dieser Theologie nichts anfangen werden können, ist mir klar. Aber es käme für mich auch fast einer Beleidigung gleich, wenn es anders wäre.

Die Furche: Was bringt die Meinung der Mehrheit, wenn die Absolventen des künftigen Studiums in den Moscheen, die von diesen Organisationen kontrolliert werden, keine Jobs bekommen?

Aslan: Wir haben in Österreich glücklicherweise - was zum Beispiel in Deutschland nicht der Fall ist - die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ). Wenn wir in guter Zusammenarbeit mit der IGGiÖ gemeinsam ein neues Imam-Bild erarbeiten können, dann werden wir in Zukunft auch mehr österreichische Imame haben als solche aus dem Ausland. Die IGGiÖ ist aber auch gefordert, die Belange der Muslime hier in Österreich zu vertreten und nicht zu einem Instrument von Organisationen aus dem Ausland zu werden.

Die Furche: Ist die Islamische Glaubensgemeinschaft denn derzeit ein solches Instrument?

Aslan: Auf jeden Fall haben wir das Problem, dass es Organisationen gibt, die die IGGiÖ unter Druck setzen und versuchen, sie für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Gleichzeitig muss man auch sagen, dass die Glaubensgemeinschaft unter ihrem derzeitigen Präsidenten sehr wohl versucht, sich aus diesen Zwängen zu befreien. Sie ist dabei aber auch auf die Unterstützung der Gesellschaft und der Medien angewiesen. Wenn wir das nicht fertigbringen, sehe ich schwarz für die Zukunft der IGGiÖ. Und damit würden wir auch eine wirklich große Chance für Europa verlieren. Ich habe immer wieder betont: Wenn der institutionelle Islam in Österreich scheitert, dann wird der Islam in Europa scheitern. Mit diesem Anspruch möchte ich auch an einer neuen Theologie in Öster-reich arbeiten.

Die Furche: Warum braucht es eine neue Theologie? Was ist falsch an der bestehenden?

Aslan: Islamische Theologie wird im Koran als ein Weg, als ein Pfad beschrieben. Aber die Muslime haben daraus eine Haltestelle gemacht. Uns muss es hier an der Universität Wien darum gehen, den Islam aus den traditionellen Gefängnissen der Muslime zu befreien. Das Problem ist nicht der Islam, sondern was die Muslime aus dem Islam gemacht haben.

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