Den Ungeheuern auf der Spur

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Das Kunsthistorische Museum zeigt in der sammlungsübergreifenden Ausstellung "Schaurig Schön“, wie Drachen, Greife und Mischwesen, die heute im Kino en vogue sind, schon seit Jahrtausenden in der Kunst verwendet werden und wie sich ihre Mythen entwickelt haben.

Ob Drachen, Greife oder der Phönix - moderne Fantasyfilme wie "Harry Potter“ und "Der Herr der Ringe“ holen Ungeheuer und Mischwesen, an die die Menschheit Jahrtausende lang geglaubt hat, zurück in unsere Gesellschaft. Durch ihre Eigenschaft als Filmstars sind sie präsenter denn je. "Die haben wir auch“, dachte sich Gerlinde Gruber, Kuratorin am Kunsthistorischen Museum Wien. Gemeinsam mit Kollegen entwickelte sie die Idee, den Ungeheuerbestand des Hauses aus acht Sammlungen in einer Ausstellung vorzustellen. Nun ist die Exposition "Schaurig Schön“ zu sehen und zeigt die Entwicklung von acht Mythenwesen anhand mannigfacher Umsetzungen aus der Kunstwelt auf.

"Wir sind auf so viele Ungeheuer gekommen, dass wir die Ausstellung auf jene beschränkt haben, die es seit der Antike gibt“, so Gruber - demnach: Drache, Medusa, Kentaur, Sphinx, Satyr, Phönix, Greif und Einhorn.

Aus der Kunstkammer wurde ein Phönix aus Elfenbein gewählt, aus der Hofjagd- und Rüstkammer ein Pferdeharnisch in Drachenform, aus der Musikinstrumentensammlung ein Instrument namens Tartölt, ebenfalls in Drachenform. Peter Paul Rubens’ "Haupt der Medusa“ und Raffaels "Heilige Margarethe“ aus der Gemäldegalerie gehören zu den berühmtesten Werken dieser Ausstellung.

Ungeheuer verändern sich

Doch in dieser geht es nicht vorrangig um die Kunstwerke an sich, vielmehr wird anhand derselben die Entwicklung der einzelnen Mythen herausgearbeitet. Wie konnte sich etwa der Drache vom sehenden Wächter zu einem Ungeheuer wandeln? Wie die Sphinx vom Löwen mit Königskopf zum Abbild einer schönen Frau? Wie wurde aus der hässlichen Medusa eine Schönheit? Wie wurde aus dem Einhorn erst ein Fruchtbarkeitssymbol, später eines für Jungfräulichkeit? Und wie manifestierten sich all diese Veränderungen in der Kunst? Anhand von Gemälden, Vasen, Rüstungsteilen, Schätzen der Kunstkammer, Skulpturen und vielem mehr lässt sich dies in "Schaurig Schön“ nachvollziehen.

Lange war der Volksglaube an die mythischen Tiere gängig. Das Einhorn, in der Kunst oftmals Begleiter der heiligen Justina, verdankt den starken Glauben der Menschen einem Übersetzungsfehler in der Bibel. Als diese vom Hebräischen ins Griechische transponiert wurde, wurde aus "re’em“, einem wilden Tier, das als groß, stark und gehörnt beschrieben wurde, irrtümlich "monoceros“, das Einhorn. Und wer könnte an der Existenz eines Tieres, das gar Eingang in die Bibel gefunden hatte, zweifeln? Das Einhorn wurde zum Sinnbild des Kreuzes, gar zum Symbol für Christus selbst. Sein "Horn“ wurde zu Bischofsstäben verarbeitet, wie auch die Ausstellung einen beinhaltet, der jedoch in Wahrheit aus Narwalzahn gefertigt ist. Besondere Kräfte sollte eine Pferderüstung verleihen, die ein Horn aufweist. Nach dem Konzil von Trient verschwand der Einhornglaube.

Ein biblisches Tier findet sich auch auf einem Bild, das in der Ausstellung dem Drachen zugeordnet wird: In Hugo van der Goes’ Gemälde "Sündenfall“ ist neben Adam und Eva eine Schlange mit Beinen dargestellt, da sie ja als Strafe dafür, einen Apfel angeboten zu haben, schließlich auf dem Bauch kriechen muss. Drachen finden sich zudem oft in Heiligenbildern. Ob Erzengel Michael in einem niederländischen Gemälde den in der Offenbarung des Johannes als teufelsgleich bezeichneten und auch hier als solchen erkennbaren Drachen mit dem Schwert bedroht oder Raffaels "Heilige Margarethe“ ein riesiges Ungeheuer bereits mit dem Kreuz getötet hat - "mit keinem anderen Tier konnte der Mut des menschlichen Helden besser dargestellt werden als mit dem Drachen“, so Kuratorin Gruber.

In fremden Ländern

Inmitten der vielseitigen Exponate finden sich nicht nur Erläuterungen zu jedem einzelnen Werk und Erklärungen zu den acht Gattungen, sondern auch Bücher, die beweisen, wie sehr die Menschen an die Ungeheuer glaubten. "Es ist spannend zu sehen, wie lange es für die Leute vorstellbar war, dass in fremden Ländern Tiere lebten, die sie noch nie gesehen haben“, sagt Gruber.

Die lehrreiche Ausstellung, die in die Welt der Mythen und ihrer Entwicklung eintauchen lässt, soll auch schon einmal gruseln machen und im Idealfall an die Faszination der Fantasyfilme anschließen - so hofft man im Kunsthistorischen Museum. Und um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: "Man kann auch sehen, dass Autoren wie J. K. Rowling die Mythen sehr korrekt benutzen“, so Gruber.

Schaurig Schön. Ungeheuerliches in der Kunst

Kunsthistorisches Museum Wien

bis 1. Mai, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

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