Denn die Kunst ist immer heilig

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Zeitgenössische Kunstwerke aus der Sammlung Sammer und dem Stiftsmuseum Admont in der Wiener Karlskirche.

Der verklärte katholische Blick sieht in der glückseligen Rückschau auf die Zeiten des ersten Barock oftmals jene heile Welt, die er heutzutage bestürzend anstrengend entbehren muss. Schließlich folgte auf jene Zeit, von der heute nur die triumphalen Gebäude und Bildwerke unter weitgehender Aussparung der Kriegs- und Unglückserfahrungen der damaligen Menschen geblieben sind, eine wahre Durststrecke für alle Sehnsüchte nach abgeklärten Sichtungen. In besonders glücklichen Fällen folgte da und dort ein aufgeklärter Blick, die Massenwahrnehmung erging sich aber in unglaublichem Ausmaß in einem ungeklärten Stieren auf eine entfesselte, also verklärte Welt. Eine beinahe gegenläufige Entwicklung zeichnete sich ab, je weiter es in unsere Zeitgenossenschaft ging, desto fassungsloser wurden die Blicke.

Ein Paradebeispiel eines barocken Überbleibsels aus der ersten Barockzeit - schließlich gab es inzwischen wohl schon mehrere Phasen, die man als Neo-Barock bezeichnen könnte - gibt die Karlskirche in Wien ab. Zweifelsfrei ein Meisterwerk, ein Triumphmal einer durchgestandenen Krise, dem dennoch jegliche Hybris abgeht. Der verklärte Blick mag sich von der Pracht einlullen lassen, mag meinen, dass er hier abgeklärten Gestaltungen gegenübersteht, der aufgeklärte Blick weiß um den historischen Abstand und um den Grund dieser Pracht: eine schwierige Lebenszeit. Dass die Karlskirche heute noch immer im Glanz ihrer Entstehungszeit erstrahlt und nicht dem berüchtigten Zahn der Zeit zum Opfer gefallen ist, verdankt sie zu einem großen Teil jenem Verein, der auf beeindruckende Weise die finanziellen und operativen Herausforderungen aufwendiger Renovierungen managte.

Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat der französische Dominikaner Marie-Alain Couturier darauf hingewiesen, dass wir nicht von den Meisterwerken der Vergangenheit leben können, sondern nur von den Meisterwerken unserer Zeitgenossenschaft. Genau diese Erweiterung des Rückblicks auf unsere Gegenwart hat man in der Karlskirche nun vollzogen. Im rechten Turm kann man zu einem "Raum der Stille" hochsteigen, der seine Qualität von den dort präsentierten Arbeiten erhält, die allesamt nach 1945 entstanden sind und die noch bis Herbst zu sehen sein werden. Eine Kombination aus Werken aus der Sammlung Alfred Sammer und Leihgaben des Museums im Stift Admont spannt einen wunderbaren Bogen von der mit christlichen Motiven ausgestatteten Karlskirche über einige Exponate, die in dieser Tradition stehen, bis hin zu einer "geheimen ars sacra" der Gegenwart.

Denn die Kunst ist immer heilig, wenn sie denn Kunst ist, weil sie immer jenen Blick einfordert, der der Geschäftstüchtigkeit entgeht und der bemerkt, dass wir uns selbst übersteigen, uns selbst entgehen - was in der Kunst paradoxerweise unmittelbar sichtbar wird. Das jeweilige Thema eines Kunstwerkes ist dabei erst zweitrangig interessant. Oder gar überflüssig, dann nämlich, wenn es den klaren Blick der Kunst nicht erreicht.

Ars sacra

Karlskirche

Karlsplatz, 1040 Wien

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