Der alte Mann und die Wahrheit

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Das "Handelsblatt“ über die Anhörung von Rupert Murdoch vor dem britischen Parlament zum Abhörskandal von "News of the World“.

Trauben von Fotografen haben sich bereits Stunden vor seinem großen Auftritt gebildet. Rund um das Parlamentsgebäude im Londoner Stadtteil Westminster haben sie ihre Kameras mit wuchtigen Objektiven in Stellung gebracht, um einen äußerst medienscheuen Mann abzulichten: Rupert Murdoch. Der 80-jährige Medienmogul musste gestern britischen Abgeordneten Rede und Antwort stehen - zu einem Skandal, der seinen gesamten Medienkonzern News Corporation, die britische Politik und Öffentlichkeit erschüttert.

Murdochs Boulevardblatt News of the World soll Handymailboxen von 4000 Prominenten und Verbrechensopfern angezapft und Polizisten bestochen haben. Was wusste der oberste Boss, dessen Medien schon lange für nicht gerade feine Recherchemethoden bekannt sind, davon?

Wenig bis gar nichts - das ist der Eindruck nach einer dreistündigen Befragung durch die Abgeordneten des Medienausschusses. Nein, er habe von dem Fehlverhalten seiner Mitarbeiter nichts geahnt. Er sei über das Ausmaß der Affäre lange im Unklaren gelassen worden. Es sei auch nicht seine Aufgabe, die juristische Aufarbeitung des Falls zu übernehmen. Ohnehin habe er im Tagesgeschäft die News of the World aus den Augen verloren, weil die Boulevard-Zeitung nur ein kleiner Teil seines Konzerns gewesen sei.

Ringen um Worte

Murdoch sitzt an einem hellen Holztisch in einem kleinen Raum mit moderner Kunst an den Wänden, neben ihm sein Sohn James. Der 38-Jährige ist Europa-Chef von News Corp. und war damit auch für das Boulevardblatt News of the World verantwortlich.

Die elf Abgeordneten des Ausschusses sitzen an einem hufeisenförmigen Tisch vor den beiden. Der Reihe nach stellen die Politiker ihre Fragen. Rupert Murdoch lässt sich Zeit mit seinen Antworten. Er macht lange Pausen, er denkt nach, er ringt nach Worten und gelegentlich schlägt er mit seiner Handfläche auf den Tisch, schüttelt den Kopf. Sein Sohn will immer wieder einspringen, wenn es um Details geht - etwa um Vergleichszahlungen an die Opfer der Abhöraktionen. Doch die Abgeordneten lassen ihn nicht.

Viel steht auf dem Spiel

Bei der Anhörung steht für Murdoch und seinen Sohn vieles auf dem Spiel. Es geht um ihr Ansehen, die Zukunft ihrer Geschäfte in Großbritannien und weltweit. Die geplante Komplettübernahme des britischen Satellitensenders BSkyB musste der Konzern bereits absagen - wegen des enormen Drucks der Politik und der Öffentlichkeit. Investoren fürchten um die Übernahme eines australischen Bezahlsenders. Und Analysten und einige Fondsmanager stellen bereits die angedachte direkte Machtübergabe von Rupert Murdoch an seinen Sohn James infrage. James Murdoch sei zu tief in den britischen Abhörskandal verstrickt, kritisieren sie.

Der 38-Jährige hat bereits eingeräumt, Vergleichszahlungen an die Opfer des Lauschangriffs abgenickt zu haben, ohne von den Details der Vorgänge gewusst zu haben.Beobachter spekulieren, dass Murdochs bisheriger Vize Chase Carey neuer Chef von News Corp. werden könnte. Die US-Wirtschaftszeitung Wall Street Journal (WSJ), die zum Murdoch-Reich gehört, heizte die Spekulationen über den Aufstieg von Chase Carey weiter an. "Auch wenn Murdoch sich zu diesem Wechsel entscheiden würde, so würde er es nicht jetzt tun“, zitiert die Zeitung eine Murdoch nahestehende Person. Vielmehr sei ein Wechsel an der Konzernspitze denkbar, wenn sich die "Aufregung“ um den Abhörskandal gelegt habe.

* Handelsblatt, 20. Juli 2011

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