Der Aschenmensch bleibt eine Chimäre

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Ivan Ivanji versucht sich als literarischer Grenzgänger.

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Ivan Ivanji versucht sich als literarischer Grenzgänger.

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Was passiert, wenn sich das schlechte Gewissen materialisiert, wenn die Vergangenheit Gestalt annimmt? Dieser Frage geht Ivan Ivanji in seinem Roman "Der Aschenmensch von Buchenwald" nach. Eine schwarze Wolke schwebt über den Menschen. Die Asche von 700 ermordeten KZ-Insassen wurde 1997 auf dem Dachboden in der Erinnerungsstätte gefunden. Die Reste der Opfer suchen nach einer Möglichkeit, um sich bemerkbar zu machen, um weiterzuleben. Ivan Ivanji, selbst Häftling in Dachau, mischt in diesem Roman mehrere Ebenen und läßt dadurch den Leser im Unklaren. Bruchlos wird aus der Reportage plötzlich zeitgeschichtliche Science-fiction, für die keine Grenze von Zeit und Raum mehr Gültigkeit hat und die auch einen berühmten Toten des benachbarten Weimar, den alten Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe und seine Eiche oder Buche, mit einbezieht.

Ivanji, ein Erzähler der alten Schule, der bereits mit einigen Büchern gezeigt hat, daß er mit Leichtigkeit Geschichten entwickeln und erzählen kann, scheitert jedoch mit dem "Aschenmenschen". Er bietet von zu Vielem letztlich zu wenig.

Wir lesen eine aktuelle Reportage, ein wenig andere Literaturgeschichte über Goethe und Schiller, einen aktuellen Reisebericht über den Ettersberg vor dem Goethejahr, die persönlichen Erinnerungen des Autors an das Lager und die späteren Besuche ebendort als jugoslawischer Diplomat, wir werden konfrontiert mit der Frage der "Funktionshäftlinge" und ihrer "Mitschuld" bei der Zusammenstellung der Todeslisten, erfahren einiges über die Nachkriegszeit, als in Buchenwald von den Sowjets Nazis interniert wurden, und es wird auch keineswegs vergessen, daß die DDR Buchenwald antifaschistisch instrumentalisierte und damit mißbrauchte.

Natürlich sind diese Teile jeder für sich richtig und wichtig, vieles witzig, treffend, hintergründig gesagt, doch leider fehlt der Gedanke, der überspringt, der alles zusammenfügt, der Funke, der dem Aschenmenschen tatsächlich die bedrohliche Form gibt, in der er über uns schwebt.

Der Aschenmensch von Buchenwald. Roman von Ivan Ivanji.

Picus Verlag, Wien 1999. 155 Seiten, geb., öS 248,-/E 18,02

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