Der Aufschwung der Pleite

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Die Erholung der Weltwirtschaft dürfte für viele Unternehmen zu spät kommen. Auch in Österreich droht mit Ende des Geschäftsjahres eine Pleitewelle. Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen. Österreichs Wirtschaft hängt am seidenen Faden des ungebrochenen Konsums.

Die Wirtschafts-Experten der New York Times wusste es schon im Dezember 1932, als sich in New York die Direktoren der führenden Banken der USA trafen, um einen Ausweg aus der seit 1929 schwelenden Finanzkrise zu besprechen. Optimismus war angesagt: „Der Aufschwung ist da.“ Und tatsächlich zeigten sich am Börsenhimmel der Wall-Street zarte Töne eines neuen Kaufrausches. Davon beflügelt wagte selbst die US-Regierung die Prognose, das Land hätte nun das Schlimmste überstanden. Weit gefehlt. Im Jänner 1933 schlitterte die US-Wirtschaft in eine weitere Pleitewelle, aus der Rezession wurde die Depression, die bis zum Zweiten Weltkrieg anhielt.

Was war geschehen? Über den neuen Optimismusphantasien hatten die Experten vergessen, die langfristigen Folgen eines seit zwei Jahren dauernden Umsatz-Einbruchs in der Realwirtschaft mit einzukalkulieren.

Und auch heute, angesichts positiver Entwicklungen an den Börsen und sogenannter „Entwarnungen“ bezüglich der Konjunkturentwicklung, stellt sich die Frage: Wie können Unternehmen mit 20 bis 30 Prozent weniger Umsatz auf Dauer überleben? Der Insolvenz-Experte des Kreditschutzverbandes von 1870, Hans Georg Kantner, hält den überschießenden Optimismus für verfrüht: „Ich wäre ein Hellseher, wenn ich sagen könnte, die Bodenbildung sei schon da.“ Die Zahlen jenseits der Prognosen sprechen tatsächlich eine andere Sprache: Die Zahl der Insolvenzen ist im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent gestiegen. Statistisch gesehen melden über 20 Unternehmen pro Tag ihren Betrieb als zahlungsunfähig.

Fallstrick Fixkosten

Die Kurzarbeit hilft derzeit den großen Industrieunternehmen des Landes, mehr als 54.000 Menschen in Beschäftigung zu halten, doch so Kantner: „Die Kurzarbeit soll dazu dienen, die Depressionsphase zu durchtauchen. Wenn der Tauchprozess aber zu lange dauert, geht jedem Unternehmen irgendwann die Luft aus.“

Wichtig ist dabei, dass vor allem bei den großen Industrieunternehmen besonders hohe Fixkosten bestehen, die aus der meist auf Kreditbasis geschaffenen Infrastruktur beruhen. Da diese Kosten aber nur durch zumindest gleichbleibenden Umsatz beglichen werden können, müssen Umsatzeinbrüche oft direkt aus den finanziellen Rücklagen beglichen werden. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Umsätze sich zwar stabilisieren, aber trotzdem auf zu niedrigem Niveau bleiben. Das würde die Unternehmen nicht in die Gewinnzone zurückbringen, die ihr Bestehen und damit die Arbeitsplätze schützt. Schon bei guter Konjunktur liegt der Reingewinn großer Industrieunternehmen nie über ein bis fünf Prozent des Umsatzes.

Für zahlreiche Unternehmen war deshalb der Sommer eine entscheidende Phase – jener Zeitraum, in dem auch die Auftragslage des kommenden Jahres (und damit über die Zukunft der Betriebe) bestimmt wird. „Oktober und November könnte noch eine Insolvenzwelle kommen“, sagt Kantner.

Auch der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister warnt bereits vor einem zweiten Einbruch der Wirtschaft: „Ich sehe die Hoffnungen auf einen neuen Aufschwung mit extremer Skepsis. Die Wirtschaft verhält sich derzeit manisch depressiv“, so Schulmeister bei einem Vortrag vor der SPÖ-Vorarlberg. Eine Umfrage der Industriellenvereinigung unter 62 Großunternehmen mit 37.000 Beschäftigten bekräftigt das bange Ausgangsszenario: Zwei Drittel der Unternehmen bezeichnen die Geschäftslage ihres Betriebes als schlecht. 75 Prozent rechnen mit einem gleichbleibend schlechten Niveau für das vierte Quartal. Das ist deshalb ausschlaggebend, weil aufgrund dieser Erwartungshaltungen die direkten Kosten für das kommende Jahr strukturiert werden – und damit die Zahl der Beschäftigten.

Hoffnung spendet der Konsument

Schon für August wies das AMS 54.800 Arbeitslose mehr aus als im August 2008. Das entspricht einer Zunahme von knapp 30 Prozent, Tendenz steigend. Einziger Retter in der Not ist derzeit der nach wie vor Geld ausgebende Bürger, der die personalintensive Konsumgüterindustrie und die Dienstleistungswirtschaft mit robusten Umsätzen versorgt. So besehen schließen die Insolvenzexperten des Kreditschutzverbandes folgerichtig: „Die Krise ist in Österreich noch nicht voll eingetroffen.“

66 Prozent

der Unternehmer bezeichnen die Lage ihres Betriebes als schlecht. 75 Prozent rechnen mit gleich schlechtem Niveau. Aufgrund dieser Erwartung werden die Kosten für 2010 strukturiert – und die Beschäftigtenzahl.

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