Der Ausgangspunkt heißt: Mission

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Kardinal Schönborn legt in seinem jüngsten Hirtenbrief einen "Masterplan“ für die Erzdiözese Wien vor. Ein Dokument, das Zustimmung und Kritik findet.

Mission first - so lautet unmissverständlich der Ausgangspunkt des Hirtenbriefs von Kardinal Christoph Schönborn, der letzte Woche veröffentlicht wurde und der einen "Masterplan“ für die Erzdiözese Wien vorstellt. Ausgehend von den drei Diözesanversammlungen zum Prozess "Apostelgeschichte 2010“, die 2009/10 stattfanden, geht der Wiener Erzbischof nun die nächste Stufe für seine Ortskirche an.

"Kirche hat den Grundauftrag, Jesus zu verkünden - von daher sind auch die Strukturen zu überprüfen“: So übersetzt Veronika Prüller-Jagenteufel das Grundanliegen des Schreibens. Es gehe darum, erläutert die Leiterin des Pastoralamtes der Erzdiözese Wien, aus der Sicht eines vertieften Glaubens die Situation anzuschauen und neue Wege von Kirche auszuprobieren.

Die Fragen nach Veränderung

"Ein starker Impuls“, so nennt Rembert Schleicher, Präsident der Wiener Katholischen Aktion, den Hirtenbrief. Er bewundere die "konstruktive Verunsicherung“, der hier das Wort geredet werde: Schönborn stelle sich den Fragen nach Veränderung und hinterfrage tradierte Strukturen. Veronika Prüller-Jagenteufel weist ebenfalls darauf hin, dass "Christ sein heute vom ‚Normalfall‘ zu etwas wird, für das man sich entscheidet; eine Entscheidung, die man vor sich selbst und anderen rechtfertigen muss.“ - Sich dessen bewusst zu werden, wolle der Hirtenbrief anstoßen. KA-Präsident Schleicher begrüßt diese Methode gleichermaßen: Was herauskomme, sei noch nicht klar, aber der Erzbischof biete wichtige Anstöße zur Situation der Kirche und, so Schleicher: "Es handelt sich keinesfalls um eine Befehlsausgabe!“

Dies sehen allerdings nicht alle in der Erzdiözese so: Helmut Schüller, Universitätsseelsorger und Pfarrer von Probstdorf, ortet im Schreiben vor allem Weichenstellungen gegen die Gemeinden vor Ort: "Das ist alles andere als das Modell der Pfarrerinitiative!“, so Schüller. Die Reformgruppe von Priestern engagiert sich ja seit Längerem gegen Pfarrzusammenlegungen. Auch dass im aktuellen Hirtenbrief davon die Rede ist, bis zum Ende des Prozesses keine Pfarrer zu ernennen, kritisiert Schüller: Man versuche, dadurch maximalen Spielraum für Pfarrauflösungen zu erhalten. Schüller fragt weiter, warum den Gemeinden ein Recht auf Eucharistie vorenthalten werde. Und er beklagt, dass bereits jetzt viele Pfarrer nur eine "Fernfahrerbeziehung“ zu ihren Gemeinden hätten.

Stolperstein junger Klerus

Schüller anerkennt wohl, dass der Hirtenbrief einer kooperativen Pastoral unter Beteiligung von Laien vor Ort das Wort redet - aber er weist darauf hin, dass gerade die junge Priestergeneration alles andere als diese kooperative Pastoral wolle. Denn diese bedeute, dass sich der Priester zurücknehme. Doch bei den Jungen im Klerus ortet er die gegenteilige Tendenz.

Helmut Schüller macht an der Eucharistie fest, woran es seiner Meinung nach krankt: "Warum muss das Domkapitel jeden Tag eine Messe feiern können und jede noch so kleine Ordensgemeinschaft, aber einer Landgemeinde am Land sagt man, ihr könnt ja am Sonntag in den Nachbarort fahren?“

Solchen Unmut teilen weder Rembert Schleicher von der Katholischen Aktion noch Pastoralamtsleiterin Prüller-Jagenteufel. Schleicher findet richtungweisend, wie radikal Schönborn im Hirtenbrief die heutige Pfarrstruktur hinterfrage. Prüller-Jagenteufel weist weiters darauf hin, dass jeder und jede Getaufte Anteil hat am Priester-, Propheten- und Königsamt Christi. Diese Dimension gelte es neu zu beleben.

Ein Element, das der Kardinal in seinem Hirtenbrief anspricht sind "Jüngerschaftsschulen“. Was er damit meint, ist zurzeit noch in Entwicklung. Rembert Schleicher erklärt, es gehe hier um eine "Schule der Nachfolge“ und auch ums Selbstverständnis von Christen als "Lerngemeinschaft“.

Helmut Schüller bleibt da skeptisch: "Mission first“ bedeute nicht, Passanten in der Stadt Bibeln zu überreichen. Sondern man müsse möglichst "viele Menschen mit auf die Reise“ nehmen. In den Dörfern und kleinen Pfarren, die er gefährdet sieht, würden viele Menschen mitgenommen: "Diese Menschen werden wir verlieren“, so Schüller.

Genau betrachtet stellen dieses Anliegen und das Schönborns keine unüberbrückbaren Gegensätze dar. Der Akzent des Hirtenbriefs ist dennoch deutlich, wie Prüller-Jagenteufel festhält: "Wovon müssen wir uns verabschieden: von fixen Vorstellungen von Kirche.“

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