Der Autor als Geschäftsmann

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"GESCHÄFTE MÜSSEN ABSTRACT, NICHT MENSCHLICH MIT NEIGUNG ODER ABNEI-GUNG BEHANDELT WERDEN: LACONISCH, IMPERATIV, PRÄGNANT", WUSSTE GOETHE.

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"GESCHÄFTE MÜSSEN ABSTRACT, NICHT MENSCHLICH MIT NEIGUNG ODER ABNEI-GUNG BEHANDELT WERDEN: LACONISCH, IMPERATIV, PRÄGNANT", WUSSTE GOETHE.

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Wie viel Geld hatte Goethe? Woher hatte er es? Wie ging er damit um? Der Germanist und Historiker Jochen Klauß (geb. 1951) sitzt als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Goethe-Nationalmuseum in Weimar an jener Stelle, die durch ihre reiche Materialsammlung zu Goethes Leben solche Fragen beantworten kann. Sein Buch "Genie und Geld. Goethes Finanzen" ist ein charmanter Etikettenschwindel, handelt es sich doch um eine Goethe-Biografie mit besonderer Berücksichtigung der Frage, welches Verhältnis Goethe zum Mammon hatte.

Seine Exzellenz der Großherzogliche Wirkliche Geheime Rat und Staatsminister Johann Wolfgang von Goethe war auch einmal jung und musste den Umgang mit Geld lernen. Das war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts äußerst verwirrend. Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation gab es Hunderte unterschiedlicher Münzsorten (noch kein Papiergeld!), weil jeder noch so kleine und unbedeutende Landesherr eigenes Geld herausgab.

Werther-Raubdrucke

Goethe musste weder als Student noch als junger Advokat darben. Sein Großvater, ein erfolgreicher Schneider, Gastwirt und Weinhändler, hatte ein beachtliches Erbe hinterlassen. Die literarischen Hervorbringungen des jungen Goethe brachten ihm allerdings nichts als Schulden; durch 20 Raubdrucke des Romans "Die Leiden des jungen Werthers" ging er leer aus. Aber er lernte rasch, stellte beinharte Bedingungen an seine Verleger und beschrieb seine Haltung als Geschäftsmann im Alter von 76 Jahren so: "Geschäfte müssen abstract, nicht menschlich mit Neigung oder Abneigung behandelt werden: Laconisch, imperativ, prägnant."

Seine Haltung, die Erstaunen und Neid hervorrief, rechtfertigte er so: "Ich habe den Vortheil in meiner Jugend gar nicht, in der mittleren Zeit wenig beachtet und weiß selbst jetzt noch nicht recht, wie ich es angreifen soll. Und doch muss ich daran dencken, wenn ich nicht nach einem mühsamen und mäßigen Leben verschuldet von der Bühne abtreten will."

Anfang der 1820er Jahre, als er an eine "Ausgabe letzter Hand" denkt, hat er ein kühnes Ziel: Er will nicht mehr das Opfer von Raubdruckern werden, sondern das Privileg erhalten, dass nur ein Verleger, der seine, Cotta, diese Ausgabe drucken dürfe. Er schafft das Unerhörte: Die 39 deutschen Bundesstaaten mussten einzeln das Privileg erteilen. Sie taten es -auf 50 Jahre! Eine Sensation: Goethe hatte für sich das Urheberrecht erreicht. Für die 60 Bände dieser "Ausgabe letzter Hand" erhielt er - auf heutige Verhältnisse umgerechnet -2,5 Millionen Euro, schreibt Jochen Klauß; das ist das Doppelte von dem, was für den Literaturnobelpreis vergeben wird.

Viel Geld gab Goethe für seine 40 großen und 140 kleinen Reisen aus: Investitionen in die Persönlichkeitsentfaltung. Auch bei seinen 13 Ärzten sparte er nicht. Er rückt menschlich nah in seinem Elend nach dem Verkauf des Elternhauses, zu dem er selbst seiner verwitweten Mutter geraten hatte. Mit über 80 Jahren erlebt er den Tod seines einzigen alkoholkranken Sohnes. Noch einmal muss er die finanziellen Zügel fest in die Hand nehmen, um seine verschwendungssüchtige Schwiegertochter einzubremsen. Ihre Schulden sind so hoch, dass er bei einem Freund Geld ausleiht mit der Begründung: "Mein oekonomisches Wesen erlebt eine wunderliche Krise."

Genie und Geld Goethes Finanzen Von Jochen Klauß Artemis &Winkler 2009.219 S., geb., € 20,50

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