Der Autor, der hinter die Kulissen der Kleinstädte blickte

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Der amerikanische Schriftsteller John Updike galt seit vielen Jahren als Anwärter auf den Nobelpreis für Literatur. Nun wird er ihn nicht mehr erhalten: Er starb 76-jährig am 27. Januar 2009 an Lungenkrebs.

"Wenn man eine Familie gründete, Kinder bekam und einkaufte, versetzte man damit unserem Feind, diesen hölzernen, repressiven Antikapitalisten hinter dem eisernen Vorhang, einen Schlag." Sätze wie dieser können vielleicht deutlich machen, warum die Lektüre von John Updikes Büchern Lesevergnügen garantiert. Sie sind aber auch als Beispiel dienlich, aufzuzeigen, warum Updikes Texte immer auch als Spiegel der amerikanischen Gesellschaft gelesen werden konnten, wenn man denn Literatur so lesen wollte: als Spiegel der Gesellschaft.

Dieser Erwartung an seine Literatur, etwas über die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erzählen, hat Updike freilich vor allem mit seinen vier Rabbit-Romanen entgegengearbeitet, von denen mit "Hasenherz" der erste 1960 erschien, mit "Rabbit in Ruhe" 1990 der letzte, dem dann noch die Erzählung "Rabbit, eine Rückkehr" folgte. Mit dem Protagonisten Harry Angstrom, einem Durchschnittsamerikaner aus Pennsylvania, also aus der Provinz, konnte man nicht nur dessen Entwicklung literarisch festgehalten finden, sondern auch die der amerikanischen Gesellschaft von den späten 50er bis zu den 90er Jahren.

Das veranlasste Marcel Reich-Ranicki, der Updikes Erzählungen außerordentlich schätzte, 1983 zur Bemerkung über die ersten beiden Rabbit-Romane, die Figuren wären leicht überfordert: "Sie alle durften nicht sein, was sie waren oder zu sein schienen, sondern mußten stets repräsentieren - ihre Gesellschaftsschicht, ihr Land, wenn nicht gar ihre Epoche. … In den, Besseren Verhältnissen' ist Harry endlich geworden, was er bisher nur bedingt war - ein Individuum, an dessen Existenz wir keinen Augenblick zweifeln."

Genauer Blick fürs Detail

John Updikes Bücher fanden nicht immer nur großen Anklang, sondern stießen auch auf heftigen Widerstand, nicht zuletzt aufgrund seiner gerne und häufig und nicht unbedingt mit dem eigenen Ehepartner bzw. unbedingt mit einem anderen kopulierenden Figuren. Der genaue Blick fürs Detail und hinter die Kulissen, der Updike ebenso auszeichnete wie die Fähigkeit, darüber zu schreiben, ließ die Erotik nicht aus. Updikes Wahrnehmung war eine sorgfältige, wache, von der christlichen Weltanschauung nicht getrübt, sondern im Gegenteil zur intellektuellen Auseinandersetzung angespornt. Christlichen Fundamentalismus thematisierte er ebenso wie islamischen Extremismus, den er - nach 9/11 - in seinem Roman "Der Terrorist" mit hausgemachten amerikanischen Problemen in Zusammenhang brachte, etwa der Perspektivenlosigkeit und Unbehaustheit junger Menschen.

Der 1932 in einer Kleinstadt in Pennsylvania geborene Autor fokussierte in seiner Literatur vor allem Kleinstädte - und mit ihnen das kleine Denken des großen Amerika, in dem sich etwa religiöse und ethnische Unterschiede zu einem faden und trostlosen Einheitsbrei aus Konsum und Freizeitwelt verkocht hatten. "Amerika ist, wenn man Jack Levy fragt, lückenlos mit Fett und Teer zugepflastert, ein von Küste zu Küste reichender Fliegenfänger, an dem wir alle festkleben."

Weiterleben der Figuren

Updike schrieb jahrzehntelang unermüdlich, nicht nur Romane und Erzählungen, sondern auch als Essayist und Rezensent. Im New Yorker spitzte er den Stift für oder gegen Bücher seiner Kollegen. Er galt schon so lange als Anwärter für den Nobelpreis für Literatur, dass keiner mehr daran glaubte - und er bekam ihn ja auch nicht mehr. Bis zuletzt hat Updike Figuren aus eigenen, früheren Werken weiterleben lassen. Seinem verfilmten Roman "Die Hexen von Eastwick" schrieb er einen Folgeroman: "Die Witwen von Eastwick". Der Roman wird heuer postum auf den deutschsprachigen Buchmarkt gelangen.

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