Der Autor und sein Lektor

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Michael Köhlmeier thematisiert das Werden, Vergehen und Wiederauferstehen von und mittels Literatur.

Ein Porträt des Gegenübers als mystischer Mann. Damit wäre das Thema vorerst benannt. Die Geschichte spielt im Jahr 2006 und versucht, einem Menschen nahe zu kommen, gewissermaßen seine bunten Farben zu sehen, die sich doch als unterschiedliche Schattierungen in Grau erweisen. Gemalt wird dieses Bild erzählerisch, von einem Künstler, der ein Schriftsteller ist. Und der Porträtierte ist kein anderer als sein Lektor, der den "Sound der fiktiven Welt" nicht loswerden kann, wie es eindringlich heißt.

Der Lektor interessiert sich aber nicht für Literatur, sondern nur für die Virtuosität im Umgang mit ihr, während der Autor vor allem an einem Interesse zeigt: "Mach mich besser." An dieser Stelle deutet sich bereits ein Konflikt an, der dem neuen Buch von Michael Köhlmeier seine Anspannung verleiht. Das Prosa-Stück "Idylle mit ertrinkendem Hund" ist den Formen und Funktionen des literarischen Lebens gewidmet, zunächst auf ganze unprätentiöse Weise.

Dr. Beer, der Lektor, wird vom Ich-Erzähler als einer der letzten legendären Vertreter seiner Zunft präsentiert; mit ihm einen Text zu analysieren, ist ein Abenteuer, und seine Arbeitsmethode klingt so überzeugend wie ästhetisch verbrämt: "Was nicht gut im Ohr klingt, ist auch inhaltlich mangelhaft." Also legt er "über einzelne Worte das chirurgische Tuch mit dem Schlitz in der Mitte, das den Gegenstand der Untersuchung von allen anderen Organen isoliert, um dessen Bedeutung und, daraus resultierend, dessen Strahlkraft innerhalb eines Satzes und weiter eines Satzgefüges besser untersuchen zu können."

Chirurgie am Text

Einen solchen Lektor, denkt man, wünscht man jedem Autor, auch wenn er unbequem ist, und gerade deshalb erkennt man die schon anfangs mitgeteilte Nachricht, Dr. Beer habe nach drei lektorierten Büchern die Arbeit am vierten abgebrochen, als potenzielles Problem, zumal seine Begründung neugierig macht. Er schäme sich wegen der vorgefallenen Ereignisse, die der Ich-Erzähler sodann nach einer Phase des Porträtierens rückblickend wiedergibt.

Köhlmeier lässt den Lektor den Schriftsteller zu Hause besuchen, über mehrere Tage hinweg. Vieles verweist dabei auf die Literaturgeschichte, Spaziergänge im Schnee etwa erinnern an jene von Robert Walser und Carl Selig bzw. insgesamt an Thomas Bernhards "Gehen". Die sich abspielenden Ereignisse formen sich letztendlich zu einem einzigen großen Bild, einer Metapher über den Prozess des modernen Schreibens und dessen Risiken, auch über dessen Verbindung mit der Wirklichkeit.

So verliert der Lektor auf einem Spaziergang im Umgang mit einem herrenlosen Hund seine Angst vor diesem und damit implizit auch vor den Zwangsläufigkeiten des Literaturbetriebs. Als er aber tags darauf mit dem Autor den Hund wieder trifft, entspinnt sich schließlich ein Todeskampf auf dem zugefrorenen Fluss, bei dem er Autor und Hund vorerst zurücklassen wird und bei dem sich entsprechend auch die Erzählperspektive verändert.

Der Tod des Autors, das Ende des Textes treibt für einen Moment an der Oberfläche der Handlung wie die gebrochenen Eisschollen auf dem Fluss; aus dem Versuch, den Hund zu retten, macht Köhlmeier das Phantasma, Autorschaft schlechthin erlösen zu können, nicht ohne die eigenen, autobiografischen Erfahrungen der vergangenen Jahre ästhetisch zu verarbeiten.

2003 verunglückte Köhlmeiers Tochter bei einem Spaziergang tödlich. Entlang dieses Schmerzes ist das vorliegende Buch geschrieben, zumal in der Figur des Autors unschwer Köhlmeier selbst zu erkennen ist, wie auch dessen Frau, die Schriftstellerin Monika Helfer, und deren Kinder namentlich auftreten. Gewarnt sei dennoch vor autobiografischen Kurzschlüssen. Das atmosphärische Unterfutter verschwindet in einer Dramatik des Augenblicks und Hoffnung in herzzerreißender Beleuchtung stellt der Sprachlosigkeit über den Verlust des geliebten Kindes einen Furor sprachlichen Ausdrucks gegenüber. Köhlmeier thematisiert das Werden, Vergehen und Wiederauferstehen von und mittels Literatur.

Idylle mit ertrinkendem Hund

Von Michael Köhlmeier Deuticke 2008. 112 S., kart., € 13,30

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