Der Bischof, der Geschichte schrieb

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Wir brauchen auch in Zukunft Bischöfe, wie Reinhold Stecher einer war. Wiens emeritierter Weihbischof würdigt seinen verstorbenen Mitbruder.

N ach der Bischofssynode zum Thema "Der Bischof als Diener des Evangeliums Jesu Christi“ nannte Johannes Paul II. die charakteristischen Eigenschaften eines Bischofs: "Liebe, Kennen der Herde, Sorge um alle, barmherziges Handeln gegenüber den Armen, Fremden, Notleidenden, Suche nach den verlorenen Schafen.“ Zum 25-jährigen Bischofsjubiläum von Bischof Stecher zitierte ich diese Worte und meinte, das klingt wie eine Beschreibung des Jubilars.

"Kennen der Herde“. Als Bischof Paul Rusch 1980 der Presse den von Rom ernannten Nachfolger vorstellte, sagte er: "Bischof Stecher besitzt eine große Anhängerschaft, besonders unter den Junglehrern und Studenten, und auch ich sowie der Klerus und zahlreiche Laien mit dem Landeshauptmann an der Spitze haben ihn vorgezogen.“ Das lässt ja vermuten, dass damals die Ortskirche doch ein gewisses Mitspracherecht bei der Ernennung hatte. Würde doch das "Kennen der Herde“ und die Akzeptanz des Kirchenvolkes bei jeder Bischofsernennung ausschlaggebend sein!

Ein Kenner seiner Herde

Bischof Stecher kannte die Seele der Menschen aus seiner riesigen Beichterfahrung. Da wusste er um Freud und Leid der Menschen, um Brüche im Leben, um Glaubensprobleme und auch um ihr oft geprüftes Verhältnis zur Kirche. Und wie es vielen Priestern heute in der Unsicherheit der Kirche geht, erfuhr er aus zahllosen Gesprächen in Exerzitien, die er unermüdlich bis knapp vor seinem Tod noch hielt.

Bischof Stecher war so glaubwürdig, weil er ganz authentisch war. Er beherrschte die Sprache in ihrer Vielfalt. Theologisch hoch gebildet, sprach er dennoch auch die einfachen Leute direkt an. Er malte nicht nur hervorragend Bilder, sondern er schrieb auch in Bildern. Das ganze Leben wurde ihm zum Gleichnis. Das war der Grund, warum seine Bücher reißenden Absatz fanden. In seinem letzten Buch "Spätlese“ blickt er zurück und sieht auf dem "herbstlichen stillen Wasser“ seines Lebens dunkle Blätter vorüberziehen, aber auch viele helle, freundliche bis hin zu grell-bunten, übermütigen, in denen sein Humor lebendig wird. Dieser kam auch in seinen Karikaturen zum Ausdruck. Sie sind die Kunst, Hintergründe sichtbar zu machen, alles auf den Punkt zu bringen. Er hat in der Bischofskonferenz und auch sonst von kirchlichen Ereignissen Karikaturen gezeichnet. Scha-de, dass er vieles unter Verschluss hielt. Vielen hätte er geholfen, oft traurige Ereignisse mit einem gelassenen Schmunzeln zu sehen.

Ein kritischer Denker

Stechers Bischofswirken fiel in eine Zeit, in der der Erneuerungsschwung nach dem Konzil zu erlahmen drohte. Die sich stark verändernde, plural gewordene Gesellschaft forderte die Kirche ganz neu heraus. Im Urteil über das Konzil war man sich nicht mehr einig, manche gaben sogar ihm die Schuld an den nun aufgetretenen neuen Problemen. In der Vorbereitung des ersten Papstbesuches in Österreich 1983 begannen römische Kreise den Bischöfen in Österreich zu misstrauen. Die Bischofsernennungen nach dem Rücktritt von Kardinal König ließen vermuten, dass Rom eine Kursänderung anstrebt. In dieser Zeit hat Bischof Stecher in der Bischofskonferenz eine ganz bedeutende Rolle gespielt. Theologisch fundiert und rhetorisch brillant verteidigte er das Konzil und mahnte unermüdlich, in seinem Geist weiterzugehen.

Bischof Stecher hat immer um seine doppelte Verantwortung gewusst: als Diözesanbischof für die Gläubigen seiner Diözese; als Mitglied des Weltepiskopates aber auch für die Gesamtkirche. Aus diesem Grund hat er schon in seiner aktiven Zeit - nicht erst in der Pension, wie manche meinen - manche Kritik geübt und zu den sogenannten heißen Eisen mutig Stellung bezogen. Als beherzter Seelsorger setzte er sich für eine barmherzige Pastoral für wiederverheiratete Geschiedene ein, wie es in den 1970er Jahren ja schon prominente Theologen vorgeschlagen hatten. Er wusste auch um die Probleme, die viele Eheleute mit "Humanae vitae“ haben. Aus Sorge um eine drohende "sakramentale Austrocknung“ durch den wachsenden Priestermangel, sodass sonntags nicht mehr überall Eucharistie gefeiert werden kann, trat er für neue Zugänge zum Priesteramt ein. Es ging ihm dabei nicht vordergründig um das Zölibat, sondern um die theologische und pastorale Sorge um die Eucharistie, die doch Quelle und Höhepunkt gemeindlichen Lebens ist. Und in seinem letzten Buch macht er sich für die Zukunft Sorgen, dass durch Pfarrzusammenlegungen und große Seelsorgeräume für die verbleibenden Priester die "persönliche priesterlich-sakramentale Zuwendung“ zu den Menschen immer schwieriger wird,

Bischof Stecher hat nicht nur Bücher, sondern auch Geschichte in der Kirche geschrieben. Man soll sie aufmerksam lesen und daraus lernen. Und man darf doch hoffen, dass die nun zu ernennenden neuen Bischöfe in drei Diözesen auch etwas von jenem Geist haben, in dem Reinhold Stecher sein Bischofsamt so verantwortungsvoll zum Segen der Kirche ausgeübt hat.

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