Der britische und der noch viel britischere Konservative

Werbung
Werbung
Werbung

Einen auf den ersten Blick ungewöhnlicheren Kandidaten für die Partei der Krämerstochter Margaret Thatcher lässt sich kaum vorstellen: David Cameron - ausgerechnet dem in Eton und Oxford geschulten Sohn eines Börsenmaklers und angeblich entfernten Verwandter der Queen gelingt es, die britischen Konservativen vom Image eines elitären Clubs, der die Sorgen der Menschen nicht kennt, zu befreien.

Der Mann pflegt britische Selbstironie: "Die Schar meiner Anhänger passte vor kurzem noch in ein Taxi." Heute ist der 42-Jährige der Superstar der Konservativen. Die Mehrheit seiner 274.000 Parteifreunde traut ihm zu, die Tories nach drei verlorenen Wahlen wieder an die Macht zu bringen. Ja, er sei auf eine Privatschule gegangen, entgegnet Cameron fast trotzig, wenn er wieder einmal auf seinen elitären Bildungshintergrund angesprochen wird. "Aber wichtig ist nicht, woher man kommt, sondern wohin man geht", sagte er. Außerdem müsse er nicht alles selbst erlebt haben, um es zu verstehen, lautet eine andere seiner Antworten.

Camerons politische Vision ist die eines "modernen, mitfühlenden Konservatismus für die ganze Bevölkerung". Zwar hat Cameron in seinem politischen Leben noch keine exekutive Verantwortung gehabt, aber seine Vorstellungen sind klar: Weniger Staat, weniger Steuern, vor allem weniger Einmischung aus Brüssel lautet seine Devise. Stattdessen Schulen und Familien stärken, um die zerbrochene Gesellschaft zu kitten.

Neben Charisma und glänzender Rhetorik hat der Mann Siegeswillen. Die politische Karriere des David Cameron lässt Erinnerungen an Tony Blair wach werden, der mit 41 Jahren als Labour-Reformer angetreten war, die Downing Street zu erobern. Cameron wird deswegen gerne "Tory Blair" genannt. Tony Blair hatte 1994 - energiegeladen wie Cameron - die Spitze seiner Partei erklommen und wurde 1997 mit 43 jüngster Premier Großbritanniens seit 1812. Doch das Label "Tory Blair" ist auch ein Handicap. Cameron muss Politikfelder in der Mitte besetzten, die das Schild "Blair" tragen. Unterschiede zwischen Labour und Camerons Tory-Mitte verschwimmen. Seinen Spitznamen hört Cameron deswegen nicht gerne: "Rubbish" (Blödsinn) antwortet er, wenn er mal wieder als "Tory Blair" betitelt wird.

"Tory Blair" - ein Spitzname, der David Cameron nicht nur Freude macht

"Dass Cameron heute hier steht, war eher ein Unfall", sagt der Politologe Wyn Grant von der Universität von Warwick. "Doch er gibt den Tories die Hoffnung, endlich mit der Generation Thatcher zu brechen und sich rundum zu erneuern." Camerons pragmatisch-gemäßigter Auftritt, der viel Spielraum für Interpretationen lasse, hebt ihn von seinen politisch gestandeneren Rivalen ab. Wobei Cameron den Vorwurf nicht gelten lässt, kein klares Programm zu haben außer einer gewissen Europa-Skepsis, einem Bekenntnis zu konservativen Werten gepaart mit einem gehörigen Schuss Pragmatismus. Sein Credo lautet: "Wir können das Land ändern, wenn wir es wagen, unsere Partei zu ändern."

Václav Klaus, der zweite europäische Konservative mit Strahlkraft über seine Landesgrenzen hinaus, hat es aufgegeben, die von ihm gegründete Partei zu verändern. Klaus verweigerte "seiner" konservativen ODS sogar den Ehrenvorsitz. Stattdessen unterstützte er - soweit es ihm sein Präsidentenamt noch zugelassen hat - die Neugründung der europaskeptischen "Partei der freien Bürger" (SSO). Parteilogo ist ein springender "trotziger" Schafsbock, der laut Parteivorsitzendem Petr Mach den "Weg zur Freiheit" darstellt. Die EU-Wahlen sind für die SSO nur ein Test, sagte Mach unlängst im Gespräch mit der FURCHE. Übergeordnetes Ziel ist es, sich in Tschechien als politische Kraft zu etablieren. "Wir teilen die selben Ideen wie der Präsident", lautet Machs Programm. Die sind: kein EU-Vertrag von Lissabon und kein Euro für Tschechien - "very british"!

Aber gegenüber Klaus erscheint Cameron, der mit seiner Partei Staatsinterventionen zugestimmt hat, geradezu als kapitalistisches Weichei. Der tumultartige Regierungswechsel ausgerechnet in Zeiten der Wirtschaftskrise störe ihn nicht, sagte Klaus offen und erklärte dies so: "Maßnahmen gegen die Krise rufen mehr Probleme hervor, als sie lösen."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung