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Machtmensch im Geistesreich.Ein Buch über Siegfried Unseld.

Siegfried Unseld lebte noch, als das Buch "Unseld" von Peter Michalzik erschien. Man darf vermuten, dass es der Kranke nicht mehr in die Hand bekam. Seine Umgebung hielt Unangenehmes von ihm fern, was bei der Debatte über Walsers "Tod eines Kritikers" nur teilweise gelang. Einige Sätze in Michalziks Buch hätten ihn geärgert. Etwa, der junge Unseld habe "nichts von jenen Geistesmenschen an sich" gehabt, die andere Mitarbeiter des Suhrkamp-Verlages "so souverän, spöttisch und kenntnisreich verkörperten." Er sei "literarisch auch weniger versiert als Gleichaltrige, etwa Walter Höllerer" gewesen. Das zwingende Fazit hingegen, er sei ein Machtmensch im Reich des Geistes gewesen, hätte der Verleger am Ende seines Lebens wohl gelassen zur Kenntnis genommen.

Der Mann, der den Suhrkamp-Verlag zu dem machte, was er heute ist, hatte eine starke Neigung zur Selbststilisierung. Der Biograf stellt fest, Unseld habe - das Buch wurde ja noch über einen Lebenden geschrieben - ein gespanntes Verhältnis zu seiner Vergangenheit und versuche, eine bestimmte Sicht seines Lebens festzuschreiben. Seine Selbstauskünfte seien "von zweifelhaftem Wert, sie widersprechen sich teilweise diametral, sie sind immer lückenhaft, anekdotisch und wirken geschönt."

Dies führte zu Legenden, die der gewünschten Sicht zum Teil diametral zuwiderlaufen. Auch bei Michalzik bleibt viel im Dunkel, aber er räumt auch etliche unsinnige Gerüchte aus. Warum schon der junge Siegfried Unseld alles unternahm, um seinen Vater, einen braven kleinen Beamten, aus seiner Biografie zu eliminieren, werden wir wohl nie erfahren. Michalzik zeichnet das Bild einer extrem zielstrebigen, dynamischen Persönlichkeit, die als Hilfskraft in den Verlag eintrat und es verstand, sich schnell unentbehrlich zu machen. Auch Peter Suhrkamp war ein Verlagsdiktator, der es, ähnlich wie Kaiser Franz Joseph, ungemein krumm nahm, wenn ihm jemand einen Rat geben wollte. Welche Rolle mag die charakterliche Affinität gespielt haben, als Suhrkamp ausgerechnet den widerborstigen Unseld zu seinem Nachfolger machte - einmal abgesehen davon, dass sich Hermann Hesse für den jungen Mann einsetzte?

Keiner der Geistesmenschen, die sich Chancen auf Peter Suhrkamps Nachfolge ausrechneten, hätte es fertig gebracht, über Jahrzehnte so viele der angesehensten Autoren an sich zu binden und den Verlag auch auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften zu einer Bastion der Aufklärung zu machen. Unseld zeigte sich nach seinem einzigen Gespräch mit dem Biografen - zu dem er sich nach langem Zögern herbeigelassen hatte - bei einem Glas Wein mit vollem Recht darüber verärgert, dass Marcel Reich-Ranicki auf seine Liste der berühmtesten Bücher zwei Werke von Thomas Mann, aber keines der Suhrkamp-Autoren Hermann Hesse und Max Frisch gesetzt hatte. Wohl ein kleiner Nadelstich im Konkurrenzkampf der Königsmacher. Auch Unseld verstand sich auf Nadelstiche. Franz Xaver Kroetz, der dem Verlag zwar die Buchrechte seiner Stücke, nicht aber die lukrativen Bühnenrechte überließ, teilte er eines Tages mit, die beiden letzten - bereits erfolgreich laufenden - Stücke seien zu schlecht, um sie zu drucken.

Unselds Lebenserfolg als Köpfesammler und Burgherr der deutschen Aufklärung stellt seinen finanziellen Erfolg - er war längst Mehrheitseigentümer des Verlages - weit in den Schatten. Psychologie dürfte nicht die Stärke von Peter Michalzik sein, aber er liefert reiches Material für die Psychologie des Aufsteigers, der sein Ego auf anderen Ebenen als jenen des Geldes oder der politischen Macht inszeniert. Dieses Leben war offenbar darauf angelegt, auf eine Stufe mit den Größen der Epoche zu gelangen. Dies scheint der innere Motor von Unselds Dynamik gewesen zu sein. Dafür spricht auch manche im Foto eingefrorene Mimik, manche diskret gönnerhafte Geste in Gesellschaft der großen Geister.

Im Schatten eines solchen Über-Ego lebte es sich nicht gut. Davon können seine Kinder ein Lied singen. Der Tochter den Verlagsanteil um einen Pappenstiel abgeluchst, beim Sohn ein schnell vorbeigebrachtes Weihnachtsgeschenk für die Enkel und ein Glas Wein im Mantel im Stehen - dieses Ego hatte es schwer, ein anderes Ego neben sich zu akzeptieren.

UNSELD

Von Peter Michalzik

Verlag Blessing, München 2002

400 Seiten, geb., Fotos, e 24,60

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