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Müde schaut er mich an mit seinen großen, klugen Augen. Unser Gespräch hat ihn - wir führten es in der nur uns verständlichen Sprache - sichtlich ermüdet. Nein, hat er mir versichert, er erwartet nicht viel vom neuen Jahr, vom neuen Jahrhundert und dem neuen Jahrtausend schon gar nicht.

Er sei ein einfacher Mann, meinte er, ihm stehe es auch nicht zu und so weiter. Aber eines sollte ich wissen: Er sei, sagte er, genau informiert, und wisse schon, wie die Uhr läuft.

Wie meinst Du, sagt er, ja ich weiß, ich sollte mehr Bewegung machen, aber es ist ja nicht meine Schuld allein, daß ich's nicht tu'. Bei dieser Bekundung lag ein leichtes Mißbilligen in seinen Augen. Zu dick wäre er? Ja, ebenfalls nicht nur seine Schuld. Er tue, was er könne.

Und zur Weltlage, meint er gelassen, also aus meiner Sicht, von unten, sozusagen von der Basis her, so war's halt schon immer, das Weltgeschehen. Und für ihn völlig unverständlich.

Rede mit den Leuten, sagt er, sie sollen toleranter sein, mit Gekreisch und Geschrei ist keinem gedient. Und deinen Hirten sag', sie sollen ihre Herde zusammenhalten. Das ist notwendig, und für alle von Vorteil.

Aber es hat nicht durch Strenge, sondern durch Güte und Verstehen zu geschehen.

Von Hirten verstehe er nämlich etwas, betonte er immer wieder. Deswegen genieße er auch Weihnachten so sehr und höre er gerne die Lieder, die Klänge und die Geschichten. Vom Weihnachtsschmaus ganz abgesehen.

Dann stand er auf, um sich wie gewohnt auf seine Couch zurückzuziehen. Und da hab ich ihn aufgehalten und ihm gesagt, wie sehr ich ihn um seine Gelassenheit beneide und für sein Zuhören danke. Denn Zuhören kann er so wie keiner und wenn er mir lauscht, dann fühle ich mich verstanden und nicht wie so oft allein.

Ich habe ihm gedankt, bin aus dem Zimmer gegangen und hab mir gedacht, es ist schön, so einen Freund zu haben.

Übrigens: Er - der Freund - heißt Berni, ist ein Appenzeller Sennenhund, sechseinhalb Jahre alt und gestattet großzügig, daß ich bei ihm wohne. Er ist nämlich der Chef im Haus.

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