Der Diplomat im Ortstafel-Minenfeld

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Zuerst Washington, dann Moskau. In endlosen Befragungen wurde Valentin Inzko in den Außenministerien auf Herz, Nieren und Kompatibilität für beide Supermächte geprüft. Vorgeschlagen von der EU, abgesegnet von den USA und Russland, mit den Stimmen weiterer 55 Staaten wurde der österreichische Parade-Diplomat vor zwei Jahren zum Hohen Repräsentanten der Vereinten Nationen für Bosnien-Herzegowina berufen. Er soll den kriegsgeschädigten Vielvölkerstaat zu einer Demokratie formen. Die Aufgabe gestaltet sich in dem wirtschaftlich daniederliegenden, von Korruption und Nationalismen geprägten Land schwieriger als erwartet. Der internationale Hoffnungsträger hat noch einen weiten Weg vor sich.

Suetschach ist ein kleiner Ort im Kärntner Rosental, ein Zentrum der Kultur der slowenischen Volksgruppe. Hier steht Inzkos Elternhaus. Von hier ist er ausgezogen, um Sprachen und Diplomatie zu studieren. Er spricht sieben Sprachen, versteht zwei weitere und hat Ulaanbaatar, Colombo, Belgrad, New York, Prag, Sarajevo und Laibach als Stationen in seiner Biografie. In Suetschach spielt sich Inzkos Familienleben mit der Mezzosopranistin Bernada Fink und zwei studierenden Kindern ab.

Die enge Verbindung zu seiner Volksgruppe, das Vorbild des für Versöhnung gestandenen Vaters und der Ehrgeiz, mit einem Aufbrechen der starren Ortstafel-Fronten Geschichte zu schreiben, ließen Inzko vor einem Jahr den Vorsitz des Rates der Kärntner Slowenen übernehmen. Das ist die größte Volksgruppen-Organisation und in den Augen deutschsprachiger Kärntner die widerspenstigste, weil sie mit juristischer Hartnäckigkeit um Rechte kämpft. Vom Rat gingen vor zehn Jahren die Schnellfahr-Aktionen aus, mit denen Verfassungsgerichtshofs-Urteile für mehr zweisprachige Ortstafeln und die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes erreicht wurden. Seither wird um eine Lösung der seit dem Staatsvertrag schlampig geregelten Topografie in den Regionen an den Karawanken gestritten.

Valentin Inzko hat sich mit dem Ratsvorsitz vom Minenfeld am Balkan auf ein weiteres Minenfeld begeben. Er trat als "Brückenbauer“ an, wurde von der Bundesebene, der Landespolitik, Heimatverbänden und allen drei Volksgruppen-Organisationen als "Hoffnungsträger“ begrüßt. Mit Landeshauptmann Gerhard Dörfler, der vor einigen Jahren mit Jörg Haider Ortstafeln verrückt hatte, lieferte Inzko Bilder herzlicher Umarmungen.

"Der entzauberte Diplomat“, wird zehn Monate später über Inzko in der Kleinen Zeitung getitelt. Er saß mit dem zur Lösung der Ortstafelfrage vom Bundeskanzler ausgesandten Staatssekretär Josef Ostermayer und Dörfler am Verhandlungstisch und erweckte den Eindruck, die abgesteckten Eckpunkte mitzutragen. Einwände, neue Forderungen kamen hinterher. Vergangenen Sonntag sorgte Inzko mit basarartigen Verhandlungsmethoden in der ORF-Sendung "Im Zentrum“ für Irritationen. Nein, er werde vom Verhandlungstisch nicht aufstehen, sagt der Diplomat, der bisher am Ortstafel-Minenfeld wenig diplomatisches Geschick bewiesen hat. Er provoziere eine Märtyrer-Rolle für sich und die Volksgruppe, meinen die einen. Er sei von der Last des schwierigsten Jobs auf dem Balkan und der sensiblen historisch belasteten Diskussion in Kärnten überfordert, meinen die anderen. Viel Orientierungszeit hat Valentin Inzko nicht mehr. Sonst fährt der Geschichtszug ohne ihn ab.

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