Der Drachengriff zum BODENSCHATZ

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China kauft nun auch Ackerland in Industriestaaten auf. Es stößt dabei aber auf heftigen Widerstand. Über Ausverkauf und Nationalinteressen.

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China kauft nun auch Ackerland in Industriestaaten auf. Es stößt dabei aber auf heftigen Widerstand. Über Ausverkauf und Nationalinteressen.

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Fast wäre es zum Mega-Deal gekommen: Die chinesische Dakang Australia Holding bot unlängst 370 Millionen Australische Dollar (umgerechnet 246 Millionen Euro) für den Kauf der australischen Farm S. Kidman and Co. Die 1899 vom "Rinderbaron" Sidney Kidman gegründete Farm ist insgesamt fast 100.000 Quadratkilometer groß und erstreckt sich auf 1,6 Prozent der Gesamtfläche Australiens. Das ist mehr als das Doppelte der Fläche der Schweiz. Das chinesische Konsortium wäre mit einem Schlag zum größten Großgrundbesitzer down under geworden. Doch in letzter Sekunde legte Australiens Finanzminister Scott Morrison sein Veto ein. Das geplante Geschäft über eine Farm stehe "in Konflikt mit nationalen Interessen". Dieses "nationale Interesse" ist die letzte Trumpfkarte eines Staates, wenn es darum geht, eine feindliche Übernahme aus dem Ausland abzuwehren. Es ist wiewohl eine ungewöhnliche Rhetorik.

Australien hat jahrelang von chinesischen Direktinvestitionen profitiert. Chinas unersättlicher Hunger nach Rohstoffen, allen voran Eisen und Kohle, haben zu einem 20 Jahre anhaltenden Boom in Australien beigetragen. China ist einer der wichtigsten Handelspartner Australiens, das Handelsvolumen betrug im letzten Jahr 150 Milliarden Australische Dollar (umgerechnet 97 Milliarden Euro). Doch in Australien regt sich zunehmend Widerstand gegen die chinesischen Investoren, die sich mit Wucht in das australische Agrargeschäft einkaufen. Von einem "Ausverkauf" und einer Benachteiligung lokaler Bieter war die Rede.

Einzigartig und sensibel

Bereits im November stoppte Finanzminister Morrison den Verkauf der Anna Creek Station, die mit einer Fläche von 23.000 Quadratkilometern die größte Rinderfarm der Welt ist und zur Holding S. Kidman and Co. gehört. Zur Begründung hieß es, der Kauf würde nationale Sicherheitsinteressen berühren. Der Hintergrund: Rund die Hälfte der Anna Creek Station befindet sich auf dem militärischen Sperrgebiet Woomera Prohibited Area (WPA), wo die weltweit größte Testanlage für Raketen betrieben wird. "Das WPA-Testgelände ist ein einzigartiger und sensibler Teil der australischen Verteidigungspolitik", ließ Morrison verlauten. Um die Bedenken der Wettbewerbshüter auszuräumen, verständigten sich die Parteien darauf, die Anna Creek Station aus dem Übernahmepaket auszuklammern.

Frankreichs Wein in Chinas Schläuchen

Das Reich der Mitte geht auf globale Einkaufstour. In Frankreich kaufen chinesische Investoren reihenweise prestigeträchtige Weingüter unter anderen in Bordeaux und Burgund auf - sehr zum Verdruss der Winzer, die ihr Produkt für ein nationales Kulturgut halten. In der Ukraine, der Kornkammer des Sozialismus, hat China 100.000 Hektar Agrarland in der Nähe von Dnjepropetrowsk gepachtet und sich somit den Zugriff auf die Ackerflächen (und fünf Prozent der Landfläche) gesichert. Und nördlich von Perth hat ein chinesisches Konsortium im Januar die größte Weizenfarm Australiens aufgekauft. China macht 20 Prozent der Weltbevölkerung aus, besitzt aber nur acht Prozent des globalen Ackerlands. Das Riesenreich sucht daher händeringend nach landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Die australische Regierung steht vor einer Gratwanderung: Einerseits muss sie ihre nationalen Interessen wahren und den Einfluss ausländischer Investoren beschränken. Andererseits darf sie auch den wichtigsten Handelspartner nicht vergrätzen. Wenn Chinas Wirtschaft schwächelt, bekommt man das auch down under zu spüren. Der Börseneinbruch und das verlangsamte Wachstum in China haben zu einem Rückgang der Rohstoffnachfrage geführt, in den australischen Kohlerevieren wurden Tausende Arbeitsplätze gestrichen.

Trotzdem wächst Chinas Mittelschicht und damit auch die Nachfrage nach Lebensmitteln. Der Fleischverbrauch pro Kopf hat sich laut einem Bericht der Wirtschaftsberatung PWC seit 1971 vervierfacht. Es ist fast schon ein Naturgesetz: Werden Gesellschaften reicher, steigt auch der Proteinbedarf. In den Restaurants in Shanghai und Peking fragen die Manager: "Wo bleibt das Rindfleisch?". Chinas Appetit nach Rindfleisch ist unersättlich, bis 2025 wird der Konsum laut einer Analyse von Rabobank jährlich um 2,2 Millionen Tonnen steigen. Australiens Farmer verschiffen containerweise Rindfleisch über den Pazifik, inzwischen werden sogar lebendige Rinder in riesigen Cargo-Flugzeugen nach China verfrachtet.

Besichtigungstermine mit dem Flugzeug

Davon profitiert auch die Landwirtschaft. Die Exporte stiegen in den vergangenen zwölf Monaten um 37 Prozent. Weil das Reich der Mitte die Binnennachfrage kaum bedienen kann und auf teure Importe verzichten will, gehen Investoren dazu über, Rinderfarmen direkt vor Ort zu kaufen. Australiens riesige Landmassen bieten dafür ideale Bedingungen. Die Rinderfarmen sind so groß, dass Besichtigungstermine mit dem Flugzeug wahrgenommen werden müssen. Die enorme Nachfrage nach Rindfleisch und die steigenden Preise haben dazu geführt, dass inzwischen auch australische Milliardäre Rinderfarmen als Spekulationsobjekte aufkaufen. So haben der Minenmagnat Andrew "Twiggy" Forrest und das Einzelhandelsunternehmen Harvey Norman Farmen aufgekauft. Sie konkurrieren damit mit chinesischen Investoren.

Vor wenigen Wochen wurde die prestigeträchtige Van Diemens Land Company auf der australischen Insel Tasmanien, die größte Milchfarm des Landes, für 280 Millionen Australische Dollar (191,5 Millionen Euro) an die chinesische Moon Lake Investments veräußert. Die Nachfrage nach Milchpulver für Babys ist gigantisch. Befeuert wird die Nachfrage durch die Aufhebung der Ein-Kind-Politik. Bis der Durst gestillt ist, müssen australische Kunden in Supermärkten mit deutlich höheren Lebensmittelpreisen rechnen.

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