Der ermordete Abt von Mondsee

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Im Jänner 1145 geschah im Kulmwald bei Oberwang ein Priestermord. Das Opfer war der rheinische Reformabt des Stiftes Mondsee Konrad Bosinlother. Über Motive und Täter besteht keine restlose Klarheit.

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Im Jänner 1145 geschah im Kulmwald bei Oberwang ein Priestermord. Das Opfer war der rheinische Reformabt des Stiftes Mondsee Konrad Bosinlother. Über Motive und Täter besteht keine restlose Klarheit.

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Morde nicht !" - in der gefälligen Katechismus-Sprache "Du sollst nicht töten !" - wurde dem Auserwählten Volk am Berg Sinai geboten und hat sich als Norm bis zum Schutz der Menschenrechte von heute erhalten. Übertreten wurde das Gebot von denen, die es verkündeten, ebenso wie von ihren Gegnern. Der Blutzoll der Kirche reicht bis in die Gegenwart, in der die in den Konzentrationslagern ermordeten Priester durch Pater Maximilian Kolbe und die Opfer politischen Hasses durch Erzbischof Oscar Arnulfo Romero am bekanntesten sind.

Die Ermordung eines Abtes in der engeren Heimat im 12. Jahrhundert kann in diesem Zusammenhang empfunden werden. Finster war das Mittelalter nicht so wie die Verächter seines Geistes meinen, wohl aber in einer geringeren Bewertung des einzelnen Lebens. Auch geistliche Häupter saßen damals locker. Der Erzbischof von Canterbury, Thomas Beckett, wurde am 29. Dezember 1170 in seiner Kathedrale ermordet. Die weltliche Macht pflegte sich gegen widerspenstige Kritiker ihres Anspruchs nicht selbst die Finger blutig zu machen, sondern sie bediente sich gedungener anonymer Helfer. Auch dies eine Parallele zu dem ein Vierteljahrhundert vorher geschehenen Priestermord in Oberwang.

Die nüchternen Fakten sind: Auf dem Weg von Oberwang nach Mondsee wurde der Abt Konrad Bosinlother im Kulmwald überfallen und erschlagen. Schon das im Verehrungskult angegebene Datum 15. Jänner 1145 ist unsicher. Der Tag war ein Montag. Was hatte der Abt von Mondsee an einem Montag in Oberwang zu tun? Wenn es sein Anliegen war als Seelsorger die Sonntagsmesse in Oberwang zu feiern, mußte er schon am Vortag dort gewesen sein und dann übernachtet haben. War diese Messe - eine Pfarrkirche bestand noch nicht - im Vorgängerbau der späteren Konradskirche? Und worüber mag der Abt bei dieser Messe gepredigt haben, und was war überhaupt der Anlaß dafür, daß er mitten im Winter mit oder ohne Begleitung nach Oberwang fuhr oder ritt?

Darüber gibt es nur naheliegende Vermutungen, die mit der Bestellung Konrad Bosinlothers zum Abt von Mondsee zusammenhängen. Er stammte aus Trier und war vor seiner Berufung an den Mondsee Abt des rheinischen Benediktinerklosters Siegburg. Dort führte er die von Cluny ausgehende Reform durch und erwarb sich dadurch hohes Ansehen, welches Bischof Kuno von Regensburg veranlaßte, ihn in das damals heruntergekommene Stift Mondsee zu delegieren. Zeitgemäß betrachtet : Er war der "troubleshooter" und Krisenmanager des Stifts. Geistliche und materielle Probleme sind dabei ineinander verwoben. Mit dem notwendigen Durchgriff wird auch ein Abt nicht unbedingt beliebt. Die Chroniken berichten allerdings, daß Abt Konrad im Kloster selbst viel Zustimmung fand.

Die größeren Schwierigkeiten lagen in der Rückführung und Sicherung von Recht und Eigentum des Stiftes. Die Verwalterschicht der Ministerialen hatte sich da manches wider- und gewohnheitsrechtlich angeeignet und wollte es verständlicherweise nicht herausrücken. Ob Verwandte des heiligen Wolfgang, die Pfullinger, daran beteiligt waren, ist nicht eindeutig. Die Mörder Konrads werden unter anderen als "Punlinger" bezeichnet, woraus sich ein möglicher, aber nicht zwingender Schluß auf das Geschlecht der Pfullinger ergab. Das Mord-Motiv scheint gewesen zu sein, den Reformator und Eintreiber des Mondseer Kirchenguts gewaltam zu beseitigen. Oberwang war dazu ein für günstig gehaltener Schauplatz. Daß aufsässige und den Klosterzehent verweigernde Bauern die Mörder waren, wurde erst in der Reformationszeit kolportiert. Der Anlaß, diese Bauern seien verärgert worden, weil Abt Konrad durch ihre Getreidefelder ritt, ist unwahrscheinlich, denn im Winter gibt es keinen derartigen Getreideschaden.

Wer also waren die Mörder? Ein Untersuchungsprozeß wurde nicht geführt An der Verschleierung scheinen einflußreiche Kreise interessiert gewesen zu sein. Umso üppiger entwickelte sich der Konrads-Kult und der Kranz der Legenden. Im Kulm-Wald sei eine Quelle entsprungen, die den von den Mördern verscharrten Leichnam Konrads emporgespült habe. An der Stelle steht aus späterer Zeit eine Brunnenkapelle, deren Wasser heilkräftig sein soll. Die Mörder versuchten den Leichnam zu verbrennen. Doch dieser blieb samt dem Totenbrett unversehrt. Dieses Brett befindet sich mit einer die Legende überliefernden Inschrift in der Konradskirche und überstand auch einen Brand des Gotteshauses.

Der Leichnam wurde von den Mönchen nach Mondsee gebracht und in der Stiftskirche bestattet In der Barockzeit wurde das Gerippe geborgen, priesterlich prächtig bekleidet und in einem Glasschrein am Hochaltar beigesetzt. Wallfahrten und Verehrung blühten im Mittelalter und im Barock. Literarisch würdigte vor allem der Mönch Luithold aus der Mondseer Schreibstube den ermordeten Abt als Zierde seines Ordens und der Kirche. Mit der Aufhebung des Stiftes Mondsee durch Joseph II. und der Aufklärung verlor sich dieser wie mancher andere Heiligenkult. Kirchenrechtlich ist die Verehrung heute ein nicht klar gelöster Fall. Eine Erhebung zur "Ehre der Altäre" gab es nicht, die Verehrung beruht lediglich auf der vortridentinischen Tradition. Vor allem die Frage, ob Konrad ein Märtyrer gewesen sei, als der er vielfach bezeichnet wurde, wird unterschiedlich gesehen. Denn so berechtigt der Einsatz eines Klostervorstehers um Recht und Eigentum ist, so wenig gilt das zumal heute schon als Glaubenszeugnis. Andererseits ist die Vorstellung, Konrad von Mondsee zeitgemäß zum Patron der Kirchenbeitrags-Eintreiber zu machen, auch nicht sehr verlockend.

Der Kult nahm mittlerweile eine ganz andere, seltene und reizvolle Richtung. Im Zweiten Weltkrieg fand Erzabt Jakob Reimer vom aufgelösten Stift St.Peter in Salzburg in Oberwang seine Zuflucht. Er siedelte dort eine benediktinische Frauen-Gemeinschaft an, deren Oberin in der Wiener Zwischenkriegszeit ein Russenkind adoptiert hatte. Dies war die Künstlerin Lydia Roppolt (1924-1995), die als bedeutende Sakralgestalterin internationale Anerkennung fand. Um sie bildete sich ein Kreis von Musikern, Architekten, bildenden Künstlern und Literaten, die den kirchlichen Freiraum im Schutze des Abtes Konrad zu schätzen und zu nutzen wußten.

Der Ermordete wurde gewissermaßen kommunikativer Gönner einer künstlerischen Wallfahrt, die von der Amtskirche teils gefördert, teils mit Vorsicht beäugt wurde. Die restaurierte Konradskirche in Oberwang ist seit einigen Jahren Grablege von Emma und Lydia Roppolt und vermittelt den Besuchern die mystische Atmosphäre der ländlichen Spätgotik im Lichte zeitgenössischer Glasfensterkunst.

Die Erinnerung an den Oberwanger Kreis lebt in sommerlichen Gottesdiensten, Kunstveranstaltungen und Begegnungen weiter.

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