Der feinsinnige Rebell

Artmann war drei Tage tot, als das Buch des Fotografen Nikolaus Korab mit einer der besten jemals gemachten Porträtaufnahmen des Dichters auf dem Einband bei uns eintraf (wir werden es in der nächsten Ausgabe besprechen), einem der besten Dichterportäts überhaupt. Es fängt H. C. Artmanns Rebellion wie seine Sensibilität ein, die Reste seiner unbändigen Lebensfreude ebenso wie das Leid der letzten Jahre. Sie waren nicht nur durch seinen körperlichen Niedergang eingetrübt, sondern auch durch die unsäglichen Anwürfe der sogenannten Freiheitlichen, die er emotionaler zur Kenntnis nahm, als es dieser Haßausbruch des ewigen Spießers gegen alles, was er nicht versteht, verdiente.

Damit hat die Politik H. C. im Alter doch wieder eingeholt. Über Hans Carl Artmann wurde in den letzten Tagen viel geschrieben, darum hier nur der Hinweis, dass der Großmeister des Wienerischen im 20. Jahrhundert, der aus dem Dialekt eine hochartifizielle Kunstsprache machte, auch ein großer Sublimateur des Krieges war. Schon als Kind der äußeren Wirklichkeit in die Welten der Sprache entfleucht, war Artmann ein Träumer, doch kein Verträumter, sondern ein großer Neugieriger, offen für Menschen und Eindrücke von überall, aus geographischen und zeitlichen Fernen. Vor allem aber Rebell, Anarchist im besten Sinn des Wortes, nicht unterwerfbar. Auch er landete dort, von wo nur wenige zurückkamen, nämlich im Strafbataillon.

Doch er verweigerte die vordergründige Verarbeitung des Erlebten und ließ sich auch für kein politisches Engagement einkassieren. Sein Werk ist bekanntlich vielschichtig, eine Schicht ist die Sublimierung des Krieges, den er immer wieder durchblinzeln lässt, aber meistens nur kurz, beiläufig, umgeformt, verschlüsselt. Er war einer der Aufsässigen, Unangepassten, nicht Integrierbaren im Wien der Nachkriegszeit. Ein Widerspruch in sich selbst: Mit Artmann haben die nicht Integrierbaren ihre Integrationsfigur verloren. H.B.