Der Garant der Medienfreiheit

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Eine Konferenz in Wien versuchte, Selbstkontrolle der Medien nicht mehr national, sondern "europäisch" zu denken.

Unter dem Titel "Europäische Öffentlichkeit und journalistische Verantwortung" versammelten sich Ende Februar in Wien Teilnehmer aus 17 Ländern, um über Notwendigkeit und Formen journalistischer Selbstkontrolle auf europäischer Ebene zu diskutieren. Verbindliche Lösungen wurden keine gefunden, doch Problembewusstsein geweckt.

Berufsethische Grenzen

Es ist eine der Paradoxien des Journalismus, dass um die Freiheit der Presse zu sichern, Medien sich selbst vor einem maßlosen Umgang mit ihren Freiheiten bewahren müssen. Um sich gegen politische Regelungsbegehren zu wehren, braucht es berufsethische Grenzen. Wo es der Branche nicht gelingt, Verstöße gegen grundlegende Berufspflichten des Journalismus zu ahnden, wird der Wille des Staates geweckt, den Rahmen der Mediengesetzgebung enger zu ziehen.

Selbstkontrolle als Garant der Medienfreiheit darf jedoch nicht hinter verschlossenen Türen erfolgen, sondern in aller Transparenz, Nachvollziehbarkeit und offener Debatte. Im symbolträchtigen Presseclub Concordia, wurde nun erstmalig journalistische Selbstkontrolle "europäisch gedacht". Miklos Haraszti, Beauftragter für die Freiheit der Medien in der OSZE, skizzierte dabei Herausforderungen des Journalismus angesichts der rasanten Entwicklung und fortschreitenden Kommerzialisierung der Medien: Entstehungs- und Verbreitungsgebiet von Medien sind längst nicht mehr ident, nationale Grenzen keine Hürden mehr für die Zirkulation von Inhalten, Verlage und Eigentümer operieren längst transnational. Durch das Internet finden auch Ethikverstöße oder schlichte Falschmeldungen rasende Verbreitung - anders als national ausgesprochene Rügen für die Journalisten. Angerichteter Schaden bleibt bestehen. Braucht Europa unter diesen Bedingungen einen gemeinsamen Kodex guten journalistischen Handelns?

Länder mit etablierten nationalen Presseräten begegnen gemeinsamen europäischen Richtlinien mit Skepsis. Groß ist das Vertrauen ins eigene Gremium, ebenso die Angst, Entscheide könnten verlangsamt, Einfluss verloren gehen. Die jungen Demokratien Osteuropas mit kurzen Traditionen eines freien Journalismus hingegen versprechen sich von europäischer Kooperation wirksame Hilfestellung gegen staatliche Verantwortungsträger, die öffentlicher Transparenz argwöhnisch gegenüberstehen.

Gemeinsame Standards

Tatsächlich, so zeigte Marcus Kreutler in einer Analyse von 44 europäischen Pressekodizes, könnte es leichter sein, als Kritiker gerne vorgeben: Viele formulierte Pflichten - Bemühen um Wahrhaftigkeit, Respektieren der Privatsphäre, Vermeiden von Diskriminierung, Resistenz gegen Bestechungsversuche, Korrektur von Fehlern - decken sich - zumindest formal inhaltlich. Eine Grundlage gemeinsamer europäischer Standards scheint erreichbar. Die Wiener Konferenz war ein kleiner Schritt, auch die Selbstkontrolle der Medien über nationale Blindheiten und professionelle Kurzsichtigkeit hinweg dort hinzubringen, wo die Produktion, die Inhalte und die Publika längst angekommen sind: nach Europa.

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