Es ist wohl zu früh, um das mediale Echo auf den GAU in Japan genauer zu analysieren, aber ein paar Anmerkungen gäbe es da doch. Wobei ich mich diesmal auf meinen "Freundeskreis“ bei Facebook beziehen möchte, unter dem sich ein sehr hoher Anteil an Journalisten befindet.
Was mich frappiert hat: Der hohe Anteil an Zeitgenossen, die einfach weitergemacht haben, als gäbe es die Zäsur durch Erdbeben und Strahlenalarm in Japan einfach nicht. Dann, natürlich, ein paar Profis, die sich selbst mit einer Nachrichtenagentur verwechseln und meinen, jede neueste Tickermeldung auch über Facebook weiterverbreiten zu müssen. Und schließlich so etwas wie eine schweigende Mehrheit, die wie ich selbst nahezu von Schockstarre befallen sind, sich also entweder gar nicht oder nur mit kargen Sätzen melden: "Ich fasse es nicht“, "Finde es einfach nur schrecklich“ …
Viele von uns - offenbar nicht zuletzt Journalisten - sind von den ständigen Alarmmeldungen so abgestumpft, dass sie sich durch nichts mehr aus ihrer Ruhe bringen lassen wollen. Andere werden wieder und wieder Opfer des medialen Herdentriebs und lassen sich von Vogel- und Schweinegrippe fast genauso in Angst und Schrecken versetzen wie vom radioaktiven Fallout. Wie viel medialen Katastrophenalarm können wir verarbeiten, ohne Sensibilität und Differenzierungsvermögen zu verlieren? Gibt es für Aufklärung noch eine Chance, wenn die Medien (auch die öffentlich-rechtlichen!) letztlich um Auflagen, Clicks und Einschaltquoten konkurrieren? Und hat nicht der Jesuit und Philosoph Ivan Illich, übrigens ein Österreicher, recht behalten, selbst wenn er nur ungläubiges Kopfschütteln erntete, als er schon vor Jahrzehnten unsere "Entmündigung durch die Expertenkultur“ konstatierte und uns kurz nach der ersten Energiekrise das Fahrrad als einzig menschenfreundliches Verkehrsmittel andiente?
* Der Autor ist Medienwissenschafter an der Uni Lugano/CH