Der Gott des Gezeters

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Keine gute Figur machte Yasmin Rezas "Bella Figura" am Akademietheater -trotz routinierter Regie und überzeugenden Schauspielleistungen.

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Keine gute Figur machte Yasmin Rezas "Bella Figura" am Akademietheater -trotz routinierter Regie und überzeugenden Schauspielleistungen.

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Yasmina Reza ist die erfolgreichste Theaterautorin der Welt. Ein solcher Titel lädt zum Ausruhen ein, mehr geht schließlich nicht im Theater olymp der Stardramatiker. Genau diesem Moment scheint das Jüngste ihrer Stücke entsprungen zu sein. "Bella Figura" floppte bereits bei der Uraufführung in Berlin, und auch am Akademietheater in Wien macht die Beziehungsklamotte trotz Dieter Giesings routinierter Regiehand und einem wundervollen Ensemble keine gute Figur.

Dabei ist alles so schön angelegt: Der untreue Ehemann bringt seine Geliebte justament in das Lieblingslokal seiner Gattin, dort feiert deren Freundin den Geburtstag ihrer Schwiegermutter, man freut sich also auf giftige Dialoge und beherzte Situationskomik.

Gleich zu Beginn streckt Caroline Peters als Andrea ihre goldenen Pumps aus dem gelben Sportflitzer ihres Langzeitgeliebten. Boris (Joachim Meyerhoff) würde lieber gleich ins Hotel, fährt aber blöderweise beim Rückwärtssetzen fast Yvonne um. Die rüstige, aber etwas zerstreute Mama (Kirsten Dene) wird von ihrem Sohn und ihrer ungeliebten Schwiegertochter Françoise (Roland Koch und Sylvie Rohrer) zum Essen ins feine Restaurant mit Meerblick (Bühne: Stéphane Laimé) ausgeführt. In sechs kurzen Szenen wird der peinliche Moment des Zusammentreffens unbarmherzig in die Länge gezogen und droht zusehends außer Kontrolle zu geraten. Tablettensucht, Insolvenzantrag und Notgeilheit werden im gepflegten Ambiente zerkaut und mit viel Champagner das Klo hinuntergespült. Der untreue Ehemann hat seine getreue Gefährtin bald ebenso wenig im Griff wie die bevorstehende Firmenpleite. Die Damen verzweifeln an ihren hohen Hacken und am Älterwerden, aber schlussendlich haben sich dann doch alle wieder lieb, "irgendwo lauert schließlich immer ein Happy End", auch wenn das nur für die Dauer eines Abends gilt.

Laues Textbuch, überzeugende Schauspieler

Die illustre Tischgesellschaft rund um fünf Personen und ein Auto lässt sich genussvoll auf ein leider viel zu laues Textbuch ein. Dene gibt die komische Alte, deren unpassende Kommentare immer zum passenden Zeitpunkt fallen, Meyerhoff spielt überzeugend den arroganten Sonnyboy, der von Peters hämisch liebevoll an den Rand des Nervenzusammenbruchs manövriert wird, eine überzeugende Schauspielleistung, die der Vorlage die wenigen Pointen mit Hingabe abtrotzt.

In ihren ersten Stücken vermochte Reza virtuos hinter die großbürgerlichen Fassaden ihrer Protagonisten zu blicken, um die dahinterliegende Brutalität und Scheinmoral aufzudecken. Wie politisch das Private sein kann, zeigte sie 2007 in ihrem Porträt über den Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy und dessen damaliger Wahlkampftour. In ihrem letzten Roman "Glücklich die Glücklichen" - erneut eine Beziehungseskalation - konnte sie weit weniger überzeugen. Ihre jüngsten Werke, in denen Menschen aus der oberen Mittelschicht am Paar-Sein verzweifeln, werden zu Recht als "Well made Prosa" bezeichnet, auch bei "Bella Figura" ist das Setting vorhersehbar, sind die Dialoge feinsinnig, aber weichgespült. Was bleibt, ist gepflegte Langeweile mit überschaubaren Spitzen gegen Bürgerlichkeit und Werteverfall.

Giesing hat das Stück wohltemperiert, der Regiealtmeister hat Erfahrung in der tiefgründig-leichtfüßigen Einrichtung von Boulevardgrotesken, schon Rezas "Der Gott des Gemetzels" wurde von ihm am Burgtheater inszeniert. Er lässt seine Schauspieler in einem ruhigen Rhythmus ohne Hast und doch mit Verve schwadronieren, allein es fehlen die Höhepunkte, und so zerfließt der feine Inszenierungsfluss in einem Brei von Geplänkel und Gezeter. Zum Ende hin bleibt als Resümee ein Satz von Françoise aus der Mitte des anderthalbstündigen Abends in Erinnerung "Ich bin erschöpft. Ich weiß nicht einmal mehr, worum es hier geht." Der müde, aber anhaltende Applaus am Schluss gibt ihr recht.

Bella Figura Akademietheater, 9., 13., 18. April

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