Der Hass gegen Schwarz

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Dem Rassismus der Deutschen ist Günter Wallraff getarnt als Afrikaner auf der Spur. Der Undercover-Journalist im Interview.

Günter Wallraff wurde mit seinen Reportagen über die Methoden der Boulevardzeitung Bild bekannt, nun legt er mit „Schwarz auf Weiß“ eine Filmdoku über Rassismus vor.

Die Furche: Wie haben Sie sich auf die Rolle als Migrant vorbereitet?

Günter Wallraff: Zuerst wollte ich mit pigmentverändernden Medikamenten meine Haut dunkler werden lassen. Da die Nebenwirkungen einer solchen Therapie aber nicht ohne sind, habe ich von dieser Idee Abstand genommen und mich dank eines neuen Airbrush-Verfahrens in Kwami Ogonno (Name der Filmfigur, Anm.) verwandelt. Hilfreich bei den Vorbereitungen war auch meine Freundschaft zu schwarzen Deutschen und afrikanischen Einwanderern, die mir ihre Alltagserfahrungen geschildert haben.

Die Furche: Welche Szene war beim Dreh am gefährlichsten?

Wallraff: Mit Sicherheit die im Fan-Zug nach dem Fußballspiel Cottbus gegen Dresden – da habe ich einer jungen engagierten Polizistin unter Umständen sogar mein Leben zu verdanken. Wenn sie sich mit der Hand am Pistolenhalfter nicht zwischen mich und die randalierenden Fans gestellt hätte, weiß ich nicht, wie das ausgegangen wäre. Die Stimmung war derart aufgeheizt, dass es mir wahrscheinlich nicht einmal geholfen hätte, wenn ich mich zu erkennen gegeben hätte. Den Film werde ich übrigens den Fanclub-Mitgliedern in Dresden vorspielen und mit ihnen darüber diskutieren.

Die Furche: Was hoffen Sie mit der Doku zu bewirken?

Wallraff: Ich würde mir wünschen, dass „Schwarz auf Weiß“ zu einer Bewusstseinsänderung führt – Menschen ihre Einstellungen und Vorurteile überprüfen und ändern. Zum Teil habe ich das schon erreicht: Die Uhrenverkäuferin, die im Film vorkommt, hatte zum Beispiel bisher keinen einzigen Schwarzen als Kunden. Ich habe sie mit schwarzen Bewohnern ihrer Stadt zusammengebracht und sie hat ihre Meinung geändert!

Die Furche: Braucht es dazu wirklich einen Film wie Ihren?

Wallraff: Da braucht’s sicher noch viel mehr! Aufgeschlossenen Menschen ist das Problem von Alltagsrassismus vielleicht bewusst, andere lassen dieses Thema aber nicht an sich heran. Leider ist es immer noch notwendig, solche Filme zu machen. Schauen Sie sich Österreich an, da gibt es in bestimmten Landesteilen eine noch offenere Intoleranz als in Deutschland. Es wäre überfällig, dort auch einmal mit versteckter Kamera unterwegs zu sein.

Die Furche: Ist die Auswahl der Film-Szenen nicht sehr einseitig, es gibt kaum Positiv-Beispiele?

Wallraff: Viele Menschen wollen einfach nicht wahrhaben, dass es offene Ausländerfeindlichkeit gibt und prügeln lieber den Boten, als die Botschaft an sich heranzulassen. Mir geht es nicht darum zu zeigen, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung rassistisch ist, sondern dass es an Zivilcourage mangelt. Ich habe leider nur selten positive Fälle erlebt, wo Menschen gegen Ausgrenzung auftreten, und die kommen im Film ja auch vor. Die meisten Schwarzen, mit denen ich spreche, bestätigen nicht nur die gezeigten Beispiele, sondern sagen: „Wir erleben noch viel Schlimmeres.“

Die Furche: Woher kommt diese Angst gegenüber „Fremden“?

Wallraff: Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten benötigen viele das Gefühl, über jemandem zu stehen. Dort, wo es kaum Nachbarn oder Kollegen aus anderen Kulturkreisen gibt, ist die Fremdenfeindlichkeit am größten. Wo man einander kennt und die Kinder gemeinsam aufwachsen, werden Berührungsängste abgebaut. Das ist ja das Paradoxe: In Regionen, wo es kaum „Zugereiste“ gibt, ist die Ablehnung bis hin zum Hass gegenüber Menschen aus anderen Kulturen am stärksten. Rassismus ist aber kein spezifisch deutsches Problem, es wird dort allerdings von Multiplikatoren verstärkt: Einzelne einflussreiche Menschen des öffentlichen Lebens können ungestraft ihren Rassismus zur Schau stellen. Die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland wird auch von oben der Gesellschaft übergestülpt.

Die Furche: Stören Sie die Vergleiche mit Michael Moore?

Wallraff: Nein, Moore finde ich erfrischend, er ist die richtige Antwort für die USA. Ich arbeite allerdings anders – mehr mit Feinmechanik.

* Das Gespräch führte Jürgen Belko

Schwarz auf weiß – Eine Reise durch Deutschland

D 2009. Regie: Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger. Mit: Günter Wallraff. Verleih: Filmladen; 86 Min.

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