Ferenc Krausz Physik-Nobelpreisträger - © Foto:ÖAW / APA-Fotoservice / Martin Hörmandinger

Ferenz Krausz: Der Hauch einer Sekunde

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Laserpulse von einem Millionstel einer Milliardstel Sekunde eröffnen neue Welten: Wie physikalische Forschung zu medizinischen Innovationen beitragen kann.

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Laserpulse von einem Millionstel einer Milliardstel Sekunde eröffnen neue Welten: Wie physikalische Forschung zu medizinischen Innovationen beitragen kann.

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Es sind nicht nur für Zahnarzt-Muffel gute Nachrichten, die der Wiener Physiker Ferenc Krausz verkündet: In wenigen Jahren könnte vollkommen schmerzfreies Bohren möglich sein. Und das ohne Schmerzmittel oder Hypnose-Methoden. Vorausgesetzt, die dafür notwendigen Laser-Bohrer werden erschwinglich, denn momentan will sich wohl noch kein Zahnarzt das 200.000 Euro teure Gerät leisten.

Keine Angst vor Zahnärzten

Der Unterschied zu den derzeitigen "Folterwerkzeugen" ist neben der Tatsache, dass es sich nicht um einen mechanischen Bohrer, sondern eben um einen Laser handelt, vor allem die Zeit, in der der Zahn bearbeitet wird: Während ein herkömmlicher Bohrer sich jeweils einige Sekunden lang ins Innere der Zahnsubstanz vorarbeitet, sendet ein Bohrer der künftigen Generation nur Laserpulse von der Dauer von einigen Femtosekunden, also 0,000000000000001 Sekunde oder zehn hoch minus 15 Sekunden.

"Der Schmerz beim Bohren kommt dadurch zustande, dass Wärme entsteht, die an die Nerven weitergeleitet wird. Und das tut weh", erklärt Wittgensteinpreisträger Krausz. "Der Laserpuls ist aber so kurz, dass das Material abgetragen wird, bevor sich Wärme entwickeln kann." Die Zahnsubstanz im Fokus des Lasers verdampft, der Rest des Zahnes bleibt vollkommen unbeeinträchtigt. Dazu kommt der Vorteil, dass der Laser beliebig genau fokussiert werden kann, also auch auf ein Gebiet von einigen hundertstel Millimetern - mit herkömmlichen Bohrern vollkommen unmöglich.

Gehirnchirurgie und Augenoperationen sind weitere mögliche Anwendungsbereiche. Auch für die Materialbearbeitung sind Femtosekundenlaser interessant. Dabei kann eine enorme Leistung freigesetzt werden. "Unter Einsatz weniger Millijoul Energie kann für die Dauer eines solchen Pulses eine Leistung im Bereich von zehn hoch zwölf - also einer Million mal einer Million - Watt, erzeugt werden", erklärt Krausz. Nicht beeindruckt? "Das ist mehr Leistung, als alle Atomkraftwerke der Erde zusammenbringen", fügt er zu Veranschaulichung hinzu. Mit der Einschränkung, dass das nur deshalb funktioniert, weil die Energie eben auf einen so kurzen Zeitraum konzentriert wird.

Blitz-Fotografie

Als Grundlagenforscher hat Krausz mit der Erprobung der Femtosekundenlaser in den verschiedenen Bereichen aber kaum zu tun. Er beschäftigte sich lange Zeit mit der Erzeugung dieser ultrakurzen Lichtblitze und damit, mit ihrer Hilfe die Bewegungen von Atomen in Molekülen zu beobachten, die sich in solchen Zeiträumen abspielen.

Durch die Femtolaser konnten diese Bewegungen erstmals - einer Reihe von Fotos ähnlich - in Bildern festgehalten werden. Und während sich derzeit vor allem in den USA, Japan und Deutschland Forscher damit beschäftigen, wie sich die Erkenntnisse in den Alltag übertragen lassen, geht Krausz mit seinem Team von Physikern an der Technischen Universität Wien bereits einen Schritt weiter: Die Erzeugung von Laserpulsen, die ein paar Femtosekunden lang sind, genügt ihm längst nicht mehr. Er will Attosekunden-Pulse, also tausendmal kürzere Lichtblitze als sie die Femtosekunden-Laser erzeugen.

Ein Vergleich: Die Geschwindigkeit des Lichtes ist so hoch, dass das Licht in einer Sekunde zehn mal die Erde umrunden kann. Eine Attosekunde ist wiederum so kurz, dass das Licht in ihr gerade einmal die Strecke von einem Tausendstel eines tausendstel Millimeters zurücklegen kann.

Ganz geschafft habe er es aber noch nicht, in den Attosekundenbereich vorzudringen, schränkt Krausz den Jubel um die kürzlich von ihm erzeugten 250 Attosekunden-Pulse ein. "Von Attophysik sollte man erst sprechen, wenn man sich im Bereich von einigen, maximal einigen zehn Attosekunden befindet." Seinen Weltrekord, den kürzesten jemals gemessenen Lichtblitz erzeugt zu haben, schmälert diese Einschränkung wohl nicht.

Atome als Antennen

Der Unterschied zwischen Atto- und Femto-Pulsen ist der, dass letztere direkt mit Hilfe des Lasers erzeugt werden können. Aber weil die Wellenlänge des Lichts die natürliche Grenze für die Kürze eines direkten Laserpulses ist, muss für die Attosekunden eine weitere Technik herhalten: Die Femtolaser werden auf Atome gerichtet, die daraufhin zu oszillieren beginnen und - einer Antenne gleich - einen Röntgenstrahl freisetzen. Und der ist eben wenige hundert Attosekunden kurz. Beobachtbar wird auf diese Weise nicht nur, wie in der Femtochemie, die Bewegung von ganzen Atomen, sondern auch von Elektronen um den Atomkern.

Zukunftsmusik Zepto-Blitze

Aber auch diese Ultrakurzzeiten genügen Krausz längst nicht, er hat vor, irgendwann auch die Vorgänge innerhalb des Atomkerns zu beobachten. Und die sind nochmal um ein Tausendfaches schneller. Zeptosekunden nennt sich das dann, oder zehn hoch minus 21 Sekunden. "Es gibt schon Vorschläge, wie man eines Tages dorthin kommen kann", freut sich Krausz. "Insofern braucht man nicht zu befürchten, dass diese Forschungen in nächster Zeit an die Grenze des Machbaren stoßen." Über diesen Bereich hinaus herrsche zwar derzeit noch Ratlosigkeit. Aber Krausz ist zuversichtlich: "Das heißt natürlich nicht, dass man in zehn Jahren immer noch ratlos sein wird."

Und wofür werden Zeptopulse gut sein? "Wir müssen in der Grundlagenforschung den Mut haben zu sagen, wir wissen es noch nicht", betont der Physiker. Und erinnert daran, dass auch bei der Erfindung des ersten herkömmlichen Lasers noch keine Vorstellung bestand, wofür man dieses Ding brauchen könnte. Heute unverzichtbar in Naturwissenschaften, Technik und Medizin, witzelten die Forscher damals: "Eine Lösung sucht ein Problem." Wer weiß, welche Probleme der Zeptosekunden-Laser lösen könnte.

Aber vorerst freuen wir uns erst einmal auf schmerzlose Zahnarztbesuche dank Femtosekunden-Blitzen.

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