Der Hausmeister als König

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In der "Scala" in Wien-Wieden ist Artmanns Fassung von Jarrys "König Ubu" zu bewundern.

König Ubu, den Vater vieler Figuren des absurden Dramas, muss man nicht mehr eigens vorstellen. Aber wenn er in der "Weanerischen" Übersetzung von H. C. Artmann zum Vater Ubu in Bademantel und Schlapfen mutiert, liegt die rabiate Dämonie des Kleinbürgertums blank - was für eine Vorlage für das Theater zum Fürchten in der Wiener "Scala".

Alfred Jarry & H. C. Artmann

Und es gelingt dieser Aufführung (Regie: Marcus Ganser), die antiillusionistischen Impulse Alfred Jarrys umzusetzen - wenn etwa Regieanweisungen gesprochen werden oder ein einziger Schauspieler eine ganze Armee darstellt - und gleichzeitig ein Artmann'sches Sprachfeuerwerk abbrennen zu lassen, bei dem die zwei pausenlosen Stunden sehr schnell vergehen.

Artmanns subversive Komik beginnt bei den Namen der Figuren (Prinz Gfrastislaus soll in Polien und Liptauen herrschen), baut parodistische Anspielungen auf eigene Werke ein, persifliert das Vater unser ("Und vergib uns unser tägliches Brot") ebenso wie militärische Befehle ("Rechts riecht euch!"), bewährt sich in Schimpf-Orgien und geht bis zur Markierung von Hitler-Zügen seines Vater Ubu, der "nicht einmal in Wien Malerei studiert hat". Sein Motiv, um "König von Polien" und "Herzog von Liptauen" zu werden: "I wü reich werden! Und wann's soweit is, lass I alle umbringen und fahr auf Urlaub!"

Dass daraus ein faszinierender Theaterabend wird, liegt vor allem an Ingeborg Schwabs Meisterleistung in der Ubu-Rolle: Großspurige Dummheit, schnoddrige Brutalität, die schreckgeweiteten Augen der Feigheit oder irrlichternde Zukunftsvisionen - sie bringt jede Nuance auf die Bühne. Großartig auch Gabriele Schuchter als devot-hinterlistige Mutter Ubu, die alle Facetten des Wienerischen ausleuchtet und so nebenbei noch locker eine Operettenparodie hinlegt, wenn das gerade passt. Die absurde Farce ist erst aus, wenn sie resolut ihr "Vorhangerl!" fordert.

Sprachlich wie gestisch spielt das ganze Ensemble harmonisch zusammen, Zeynep Buyrac als Ubus Gegenspieler Prinz Gfrastislaus sticht besonders hervor. Bühne und Kostüme lassen die Handlung im Wien der 1950er Jahre spielen - was der Despoten-Demaskierung etliches an jener Bedrohlichkeit nimmt, die ihr die aggressiven Rhythmen der Musik nicht mehr zurückgeben können.

Viel zu selten gespielt

Artmanns König Ubu nach Alfred Jarry war 1990 als Hörspiel (BR/NDR/ORF) mit der Musik von HK Gruber und dem Vienna Art Orchestra ein ganz großer Erfolg, aber seine Bühnentauglichkeit konnte er schon lange nicht mehr unter Beweis stellen. Darum kann man nur raten: Unbedingt vor dem 24. Februar in das Theater "Scala", bevor diese kongeniale Umsetzung von Jarrys Theaterattacke ins Artmann'sche wieder verschwindet.

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