proksch - © APA / Jäger

Udo Proksch: Der Hofnarr als Mörder

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1977 explodierte das Frachtschiff "Lucona" im Indischen Ozean. Sein"großer Coup" wurde Udo Proksch allerdings zum Verhängnis. Mitverantwortung trägt aber auch die Politik, zu der er beste Kontakte hatte.

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1977 explodierte das Frachtschiff "Lucona" im Indischen Ozean. Sein"großer Coup" wurde Udo Proksch allerdings zum Verhängnis. Mitverantwortung trägt aber auch die Politik, zu der er beste Kontakte hatte.

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Als am 23. Jänner 1977 mitten im Indischen Ozean das Frachtschiff "Lucona", angeblich mit einer Uranerzaufbereitungsanlage an Bord, versank und von den 12 Mann Besatzung nur sechs überlebten, ahnte noch niemand, dass die "Lucona" nicht nur sechs Matrosen, sondern auch höchste sozialistische Funktionäre in den Abgrund reißen sollte. Schließlich sah die Sache zunächst nur nach einem gewaltigen Versicherungsbetrug (Schadenssumme 212 Millionen Schilling) aus.

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Ein Hofnarr, dessen kriminelle Geschäfte die einen ignorierten, die anderen tolerierten.

Ein Versicherungsbetrug, den die Öffentlichkeit dem immer schon als "buntem Hund" geltenden Udo Proksch durchaus zutraute und der in manchen Kreisen als "Kavaliersdelikt" betrachtet wurde, ging es doch auch um eine parteipolitisch aufgeheizte Auseinandersetzung zwischen dem Liebling einer "roten" Schickeria und der mächtigsten "schwarzen" Versicherung, der Bundesländerversicherung.

Waffentick und Orgien

Wer war Udo Proksch, der im Jahr 1991 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und im Jahr 2001 im Gefängnis von Karlau verstarb? Wie wurde der Darling der Gesellschaft zum Kriminellen und sechsfachen Mörder? Wer sich auf die Spuren seiner Biografie begibt, entdeckt dunkle Seiten der Zweiten Republik, Geschäfte, die im Schatten des Kalten Kriegs gemacht wurden und obskurste Typen über Nacht in neureiche Unternehmer verwandelten.

Der "Dritte Mann" war nicht nur ein Filmsujet - Schwarzer Markt, Schleichhandel und Spionage blühten auch in der Realität des Nachkriegswien, in der Udo Proksch, 1934 in Rostock als Sohn eines illegalen österreichischen Nazi geboren, aufwuchs. Nach einer kurzen Ausbildung an der Salzburger Kunstgewerbeschule und der Wiener Akademie für angewandte Kunst, wo er plastische Gestaltung und Design belegt, wird er in der Firma Anger Designer für Brillen – wahrscheinlich der einzige Job, in dem er mit neuem Namen Serge Kirchhofer für kurze Zeit ehrliches Geld verdient.

Mehr als die Brillen interessiert ihn jedoch die Plastikerzeugung, mit der sich damals Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre viel Geld verdienen ließ. Mithilfe kommunistischer Freunde, denen sich der immer als "Nazibua" Beschimpfte angedient hatte, stieg er schon früh ins Ostgeschäft ein. Das reine Exportgeschäft in Sachen Plastik wurde ihm bald zu langweilig, bald ging es um heißere Ware: Mikroelektronik und ihr Einsatz in der Waffentechnologie warf mehr Gewinn ab als Plastikrohre und Plastikfußböden.

Gut traf es sich, dass Proksch aus seinem Waffentick nie ein Hehl machte, er trug ständig eine Pistole bei sich und liebte auch sonst den Military Look samt Tarnanzügen und Jeep. Für die österreichische "Society" galt dies in den Sechziger Jahren als "très chic", viele Frauen, Schauspielerinnen wie Erika Pluhar, Aristokratinnen wie die Gräfinnen Salm und Coloredo-Mansfeld erlagen Udos "Charme". Die erotische Wirkung von Uniformen und Waffen, gepaart mit Gewalt- und Alkoholexzessen, ist ein typisches Kennzeichen rückständiger Gesellschaften. Daher fanden auch Österreichs größte Medien, Kronenzeitung und ORF, in denen überall Proksch- Freunde saßen, nichts an Waffentick, Saufgelagen und Prügelorgien ihres "Haberers" auszusetzen.

Kontakte zu Politik

Früh suchte das PR-Genie Proksch die Nähe der Macht, wobei ihm deren Farbe zunächst egal war. Für den Waffennarren, der wahrscheinlich schon damals auch mit Waffen handelte, übte das Bundesheer besondere Anziehungskraft aus. In den Zeiten der ÖVP-Alleinregierung lernt Proksch den damaligen Verteidigungsminister, Georg Prader, und den Leiter der Ausbildung im Bundesheer, General Lütgendorf, kennen, dem er bald zu höheren Ehren verhelfen sollte. (Angeblich war es Udo Proksch, der seinen Freund Lütgendorf im März 1970 dem neuen Bundeskanzler Bruno Kreisky als Verteidigungsminister vorschlug.)

Seine politischen Kontakte eröffneten ihm Geschäfte aller Art – so erwarb er zu Schleuderpreisen ein riesiges Industriegelände (ein aufgelassenes Steinkohlebergwerk) in Niederösterreich, wo er eine Plastikbrillenfabrik anzulegen versprach, schließlich aber nur seine Freunde zu Schießübungen einlud. Freunde in der Bundesländerversicherung waren es auch, die ihm mit Millionenkrediten den Kauf der Konditorei Demel in Wien ermöglichten.

Anfang 1970 war Udo Proksch also bereits ein prominenter, in der Gesellschaft allseits beliebter Spaßvogel, der seine kriminellen Geschäfte Ostspionage und Waffenhandel mit Happenings und anderen Spektakeln tarnte; so gründete er einen "Verein der Senkrecht Begrabenen", dem Helmut Zilk, Teddy Podgorski und etliche andere "Promis" beitraten. Eine Art "missing link" zwischen dem Wiener Aktionismus und der heutigen Spaßgesellschaft, einer, der das Wort "Moral" nur mit "konservativ" und "klerikal" assoziierte, ein "Immoralist" der österreichischen Sorte, den die Mächtigen hofierten, weil er so "charmant" und so "lustig" war , dass ihnen bei Ausübung der Macht nie langweilig wurde. Ein Hofnarr, dessen kriminelle Geschäfte die einen ignorierten, die anderen tolerierten.

Kampagne für SPÖ

In der neu erworbenen Konditorei Demel gründete Proksch für seine neuen Freunde in der SPÖ den "Club 45", einen Ersatz für jene Clubs und Zirkel, in der die ÖVP-Politiker ihre Freunde zu versammeln pflegen. Führende SPÖ-Politiker, wie der damalige Wiener Bürgermeister Leopold Gratz, aber auch der langjährige SP-Zentralsekretär Karl Blecha hatten eine solche "Begegnungsstätte" immer schon vermisst, Hofnarr Proksch beeilte sich, den Mächtigen zu Diensten zu sein. Bald trafen sich dort Minister, ihre Sekretäre, Verleger und Journalisten. Wenige, denen der pseudoexklusive "Männerclub" zu sehr nach neureichem Angeberverhalten roch, mieden die Institution.

Proksch genoss seinen neuen Ruhm, er organisierte für die SPÖ 1975 erstmals "Testimonials" (Prominente geben Gesicht und Namen für Wahlwerbung her). Dass die "G'schichten vom Dr. Kreisky", wie die Inseratenkampagne hieß, durch Geld aus illegalem Waffenhandel finanziert worden seien, war damals ein heißes innenpolitisches Gerücht, dessen Verifizierung allerdings der damals oppositionellen ÖVP nie gelang.

Illegale Waffengeschäfte

Je mächtiger seine Freunde wurden, umso kühner entwickelten sich Prokschs kriminelle Neigungen. Ab 1976 wurde Proksch vom Heeresnachrichtenamt als "illegaler Waffenhändler" geführt, eine Tatsache, die schon deswegen zu keinerlei gerichtlicher Verfolgung führte, weil ganz offenkundig auch Regierungsmitglieder den Handel mit Waffen betrieben, auch wenn dies meist nur mit unzulänglichen Mitteln kaschiert wurde. Erinnerlich ist das Lütgendorf-Geschäft mit Syrien, bei dem Scharfschützengewehre als "Sportwaffen" deklariert wurden. Lütgendorf musste zurücktreten und endete bald darauf durch einen mehr als mysteriösen Selbstmord. Weitere mysteriöse Todesfälle von Managern (Apfalter) und Botschaftern (Amry) lösten regelmäßig Spekulationen über illegale Waffengeschäfte aus, ohne dass jemals ordentliche Untersuchungen durchgeführt wurden.

Proksch, dessen Waffenhändlertätigkeit offensichtlich nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt wurde, sah die Zeit für den "ganz großen Coup" gekommen. Am 30. Juni 1976 schloss er mit der Bundesländerversicherung eine Transportversicherungspolizze im Wert von 212 Millionen Schilling ab, für den Transport einer Uranerzaufbereitungsanlage, die von Chioggia (bei Venedig) nach Hongkong verschifft werden sollte. Liest sich schon diese Angabe wie das Drehbuch für ein Trash Movie, so sollten die späteren Ereignisse –ein halbes Jahr danach, am 23. Jänner 1977, explodierte das Schiff und versank im Indischen Ozean, wobei die halbe Mannschaft getötet wurde – die düstersten Ahnungen, dass hier ein groß angelegtes Gaunerstück inszeniert worden war, übertreffen.

Über Jahre zog sich zunächst der Zivilprozess, bis immer klarer wurde, dass Proksch in Zusammenarbeit mit der italienischen Mafia das Schiff via Fernzündung versenkt hatte. Nach weiteren Jahren eines kläglichen Fangerl- und Versteckensspiels, bei dem führende Politiker wie Gratz und Blecha, aber auch Harald Ofner ("Die Suppe ist zu dünn") eine dubiose Rolle spielten, um ihren Freund vor dem Zugriff der Justiz zu schützen, wurde Proksch 1990 schließlich verhaftet und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Lucona: Der große Coup

Das Verbrechen, den Tod der ganzen Mannschaft zumindest in Kauf genommen, wenn nicht absichtlich herbeigeführt zu haben, ist Udo Proksch und seinem Kompagnon Peter Daimler allein vorzuwerfen. Spekulationen, dass möglicherweise Parteienfinanzierung eine Rolle gespielt hat, sind eher der überhitzten Phantasie der damaligen Opposition zuzuschreiben. Mit Beginn der Großen Koalition im Jahr 1986 fanden solche Spekulationen auch ein jähes Ende. Doch die Politik ist von Mitverantwortung nicht freizusprechen. Lange, allzu lange hatten führende Sozialdemokraten den kriminellen Aktivitäten ihres Kumpels zugesehen, seine größenwahnsinnigen Pläne unterstützt und ihn als Unterhändler für Waffengeschäfte benützt, die selbst mehrfach gegen das Neutralitätsgesetz verstoßen hatten.

Der "Noricum"-Prozess, in dem führende VOEST-Manager verurteilt wurden und der dem Innenminister Karl Blecha wegen "Urkundenunterdrückung" den Kopf kostete, hat nur einen kleinen Zipfel über diesen Geschäften gelüftet, der größere Teil blieb unaufgeklärt. Die Waffenhändler von heute, zum Teil dieselben wie zu Prokschs Zeiten, meiden die Öffentlichkeit, auch die nur partielle wie die des "Club 45", wie der Teufel das Weihwasser.

Die Autorin war ORF-Journalistin und Dokumentarfilmerin.

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