Der hohe Preis für die Treue zu Österreich

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Der Österreichische Cartellverband (ÖCV) feierte den 75. Jahrestag seines Bestehens - die Gründung war für Friedrich Funder "eine historische Entscheidung". Die Zukunft des Cartellverbandes hängt für den Historiker Gerhard Hartmann mit der katholischen Kirche zusammen: Distanz ist ein Vorteil.

In dem an Gedenkanlässen reichen Jahr 2008 erinnerte sich auch der österreichische CV an seine Gründung vor 75 Jahren. Doch eigentlich ist er mehr als doppelt so alt. Seine Geschichte beginnt im Jahr 1856, als der Tiroler Franz Senn von München, wo er Theologie studiert hatte und der dortigen zweitältesten CV-Verbindung Aenania beigetreten war, nach Österreich zurückkehrte. Er wurde Priester und gründete später den Österreichischen Alpenverein. In seiner Biografie finden sich bereits zwei wesentliche Merkmale des CV: Katholizität sowie Wirken in und auf die Gesellschaft.

Im Gemengelage zwischen Vereinkatholizismus und Politischem Katholizismus entstanden ab Mitte des 19. Jahrhunderts die katholischen Verbindungen, um damit erstens eine Brücke zwischen Kirche und Universität zu bauen und um zweitens auch Führungspersönlichkeiten für die damalige katholische Emanzipationsbewegung heranzubilden. Aber gerade diese Aufgabe sollte in den folgenden Jahrzehnten eine der hauptsächlichsten Kritikpunkte am CV sein - nicht nur vom politisch-weltanschaulichen Gegner, sondern oft auch im katholischen Binnenmilieu.

Das zeigen nicht zuletzt auch die ambivalenten Ereignisse vor 75 Jahren. Aufgrund der durch die Machtergreifung Hitlers in Deutschland eskalierenden Konfrontation zwischen dem NS-Regime und der Regierung Dollfuß in Österreich waren die österreichischen CV-Verbindungen gezwungen, sich wegen der einsetzenden Gleichschaltung im "Dritten Reich" eigens zu organisieren bzw. sich vom "großdeutsch" organisierten CV "abzuschalten", wie es damals hieß. Somit entstand der Österreichische Cartellverband (ÖCV). Ende 1956 erinnerte daran der große österreichische katholische Publizist und Gründer der FURCHE, Friedrich Funder, mit der Überschrift "Eine historische Entscheidung": "Die entschlossene Verteidigung, mit der sich eine Elite der österreichischen Katholiken der Front gegen den Nationalsozialismus einordnete und ihrer Grundsatztreue einen alten geliebten Gesinnungs- und Freundesbund zum Opfer brachte, war die erste Manifestation einer österreichischen vaterländischen Widerstandsbewegung. Ohne sie hätte Hitler mit der Okkupation Österreichs nicht bis zum März 1938 warten brauchen."

Für den Ständestaat, aber gegen NS-Regime

Die politischen Ereignisse des Jahres 1933 ließen aber den nunmehrigen ÖCV fast zwangsläufig zu einem der wichtigsten ideologischen und personell-organisatorischen Stützen des "Ständestaates" werden. Das führte nach 1945 zu einer nicht selten vehementen Kritik am CV bzw. an den im "Ständestaat" involvierten CVern. Nach wie vor ist für viele Beobachter diese Ambivalenz - einerseits Handlanger des autoritären "Ständestaates", andererseits Widerstand gegen den Nationalsozialismus - bis heute nur schwer begreifbar.

Diese Haltung führte dazu, dass beim Anschluss Österreichs 1938 viele CVer verhaftet wurden. Aufgrund von Untersuchungen kann man annehmen, dass rund die Hälfte der "Alten Herren" des CV in irgendeiner Form negativ mit dem NS-Regime in Berührung gekommen ist - von der beruflichen Schikane (Entlassung) angefangen, über Haft, KZ-Aufenthalt bis zur Hinrichtung. Das hatte Konsequenzen für die Zeit nach 1945. Im Gegensatz zu Deutschland stand in Österreich zumindest im christlich-demokratischen Bereich eine weitgehend NS-unbelastete akademische Führungselite zur Verfügung. Das hatte natürlich Vorteile für die ÖVP, letztlich aber auch für Österreich und dessen Wiederaufbau nach 1945. Das brachte aber Probleme für den politischen Konkurrenten SPÖ und führte dort zu der vor wenigen Jahren historisch aufgearbeiteten Praxis, ehemalige Nationalsozialisten, darunter auch Belastete oder Angehörige schlagender Verbindungen, aufzunehmen.

Die Jahre 1945 bis 1970 waren sicherlich ein Höhepunkt für die politisch-gesellschaftliche Wirkungsmöglichkeit des CV. Das zeigt sich nicht nur am damaligen politischen Personal der ÖVP, sondern auch an der Dominanz in der Österreichischen Hochschülerschaft. Die danach einsetzenden politischen wie sozialen Paradigmenwechsel brachten ein Abbröckeln dieses Zustandes. So gehörte Ende der fünfziger Jahre noch jeder neunte Student in Österreich, egal welchen Geschlechts oder Konfession, einer CV-Verbindung an, heute liegt sein Anteil bei den Studenten bei unter einem Prozent. Das liegt weniger an den relativ stabilen Mitgliederzahlen des CV, sondern an der Tatsache, dass sich die Studentenzahlen seit damals mehr als verzehnfacht haben. Ab den sechziger Jahren erwuchs dem CV auch eine Konkurrenz im katholischen Bereich durch die Hochschulgemeinden bzw. die Katholische Aktion. Es entstand eine teils irrationale Frontstellung, die erst Ende des 20. Jahrhunderts zu schwinden begann.

Angelpunkt der Zukunft ist die Kirche

Die Zukunft des CV hängt wesentlich von seinem wichtigsten Angelpunkt ab: der katholischen Kirche. Ihr Ewigkeitscharakter könnte zwar beruhigend wirken, doch trifft dieser nicht auf deren sozialen Darstellungsformen zu, die durchwegs zeitbezogen sind, wie etwa der Verbandskatholizismus. Seine (angebliche) Krise rührt nicht so sehr von einem strukturellen Defizit in Bezug zur Moderne, sondern von einer weitgehenden Säkularisierung der Gesellschaft her, die sich noch weiter fortsetzen wird. Die daraus resultierenden Turbulenzen für die Kirche in ihrer volkskirchlichen Erscheinungsform und deren gesellschaftlichen Wertevorgaben auf dem Gebiete der Moral berühren daher auch die Katholischen Verbände. Dabei erweist sich für den CV seine spezifische Distanz zur Amtskirche und sein säkular-politisches Ansehen als gewisser Vorteil.

Im Zeitalter offenkundiger vermehrter Bindungsunfähigkeit auch gegenüber Vereinigungen ist die Mitgliedschaft als Student in einer Gruppe schon eine besondere Hervorhebung. Denn dadurch wird bereits ein gesellschaftliches Engagement, das auch über den gehobenen Durchschnitt hinausgeht, bewiesen. Das ist auch unter den Umständen einer Massenuniversität die Chance für Gruppierungen wie den CV. Dessen gesellschaftliches Wirken auf katholischem Fundament bleibt zeitlos. Das zeigt das eingangs zitierte Beispiel des ersten österreichischen CVers.

Österreichischer Cartellverband (ÖCV)

Informationen im Internet unter:

www.oecv.at oder www.vorortcarolina.at

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