Der Körper am Seziertisch

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18 internationale Künstler und Künstlerinnen versuchen sich in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais an einer sehr persönlichen Vermessung des Körpers.

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18 internationale Künstler und Künstlerinnen versuchen sich in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais an einer sehr persönlichen Vermessung des Körpers.

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Die Blickwinkel sind sehr unterschiedlich, genauso wie die vorgeführten Körpervorstellungen. Dominiert von einer ökonomischen und medialen Vereinnahmung des Privaten, sich herantastend an die Grenzen des Körperlichen durch neue technische Möglichkeiten, geht es in "Mapping The Body" im Taxispalais aber auch stark um die Suche nach Identität in diesen neuen Lebenswelten, um die Überwindung von geschlechtsspezifischen Rollenbildern und althergebrachten Zwängen.

Die meisten der Arbeiten sind speziell für die von Jürgen Tabor und Julia Brennacher kuratierte Schau entstanden, mit Ausnahme der von Daniele Buetti, die aus den 1990er-Jahren stammt und somit auch etwas alt daherkommt: Der Schweizer Künstler bedient sich in seiner monumentalen Installation "Looking For Love" Bildern, die er aus Modemagazinen ausgeschnitten hat. Diese collagiert er zu einem glitzernden Tableau prestigeträchtiger Symbole für Lifestyle, die als Logos renommierter Luxusmarken in die schönen Körper bzw. Gesichtern wie wuchernde Narben hineingegraben sind.

Auch wenn sich der Labelwahn nicht grundlegend geändert hat, ist die Videoinstallation "Make Up Tutorial" der jungen Deutschen Selma Alaçam doch wesentlich heutiger. Und sehr brisant - geht es hier doch um Schminkanleitungen junger muslimischer Frauen. Obwohl sie Kopftuch tragen, zelebrieren sie so ihre Weiblichkeit auf fast provokante Weise.

Ebenfalls "aus dem Internet gefischt" sind die kurzen Videoclips tanzender Menschen, die die amerikanische Medienkünstlerin Natalie Bookchin zu ihrem "Mass Ornament" gepuzzelt hat. Fotografien ihres eigenen Körpers benutzt die Pragerin Eva Kot'átková, um gesellschaftliche Zustände zu transportieren. Indem sie den Körper verschnürt, fesselt oder wie eine Marionette sich fernbestimmt bewegen lässt, macht die Künstlerin die Disziplinierung des Menschen durch übergeordnete Macht- und Kontrollmechanismen fest, tröstlicherweise aber auch die Befreiung von diesen. Ihre in Berlin lebende Landsfrau Patrycja German liebt es dagegen, die Ausstellungsbesucher zu Mitspielern zu machen, wie etwa in der Taxisgalerie im Rahmen einer Performance, als sie ihr Kleid mit dem Botenstoff Beta-Androstenol beträufelte, der Gefühle von Vertrautheit und Intimität fördert. Die Requisiten dieses Auftritts zeigt die Schau: Das Kleid hängt auf einem Bügel an der Wand, die Phiole mit dem Botenstoff ist in einem Kästchen versperrt.

Vielfältige künstlerische Zugänge

Verwirrend queer sind die Fotografien der Japanerin Ryoko Suzuki und der kanadischen Transgenderkünstlerin Cassils. In ein futuristisch anmutendes Mischwesen verwandelt sich der Südtiroler Michael Fliri in einem performativen Transformationsprozess. Das Produkt seiner/ihrer Recherche auf Sex-Dating-Plattformen komprimiert Jakob Lena Knebl wiederum in einer mit Fetischen bestückten Installation. Wesentlich humorvoller ist dazu die deutschiranische Künstlerin Anahita Razmi in ihren 22 Postern unterwegs. Sie stellt politisch höchst unkorrekte Fragen danach, was ein Iraner bzw. eine Iranerin darf und was nicht.

Die große Betonwand im galeristischen Innenhof bespielt das Schweizer Künstlerduo Rico Scagliola/Michael Meier mit Digitaldrucken schriller weiblicher Bodybuilderinnen. Auf ganz andere Weise grotesk ist die Videoinstallation von Molly Lowe, in der es um die Transformation von Körpern geht, die anzuschauen oft fast körperlich weh tut. Zur Sache geht es in den Videos der Spanierin Laia Abril, die etwa eine öffentliche Plattform für Menschen eingerichtet hat, die sich für körperliche Liebe keinerlei Art interessieren.

Mit Ängsten und Hoffnungen, die von der Wirklichkeit gar nicht so weit weg sind, spielt der Niederländer Floris Kaayk in dem Video "The Modular Body". Ihren eigenen Körper macht die guatemaltekische Künstlerin Regina José Galindo zum Gegenstand, indem sie ihn auf einen Seziertisch legt. Mariechen Danz bedient sich in ihrer Arbeit dagegen Anatomiebüchern aus den unterschiedlichsten Epochen. Körper im Moment des Auseinanderfallens hat Ulrike Lienbacher auf große Papiere gezeichnet.

Ein ganzer Raum ist für die chinesische Medienkünstlerin Lu Yang reserviert, die im vergangenen Jahr ihren ganz großen Auftritt bei der Biennale von Venedig gehabt hat. Im ihrem Video "Delusional Mandala" entwirft sie eine faszinierende multimediale Animation rund um die Manipulierbarkeit von Körpern und Bewusstsein.

Mapping the Body

bis 28. August, Galerie im Taxispalais

Di bis So 11-18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr

www.galerieimtaxispalais.at

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