Der Koran: göttlich und menschlich

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Sehr oft wird der Koran als das heilige Buch der Muslime bezeichnet. Abgesehen davon, dass der Koran den Anspruch stellt, nicht den Muslimen alleine zu gehören, sondern alle Menschen ansprechen will und alle herausfordert, sich zu seiner Rede zu verhalten, bezeichnet er sich an keiner Stelle als heilig. Denn heilig ist alleine Gott.

Der Koran ist das Resultat einer Interaktion zwischen Gott und den Erstadressaten des Korans, Mohammed und seiner Gemeinde im 7. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel. Daher stellt der Koran Gottes-Menschen Wort dar. Er ist durch und durch göttlich durch seine Ästhetik, er stellt ein Medium der Begegnung mit Gott dar. Es ist Gott, der mir im Rezitieren und im Hören des Korans begegnet. Viele Muslime sind dabei ergriffen, auch wenn sie nicht den ganzen Inhalt verstehen. Der Koran ist zugleich durch und durch menschlich. Die Erstadressaten samt ihrer Lebenswirklichkeit, ihrer linguistischen wie kulturellen Sprache sind konstitutiv für die Gottesrede, denn Gott hat sich auf sie eingelassen. Der Koran ist somit kein Monolog Gottes, sondern eine Kommunikation mit der Gemeinde. Das heißt, dort wo die Erstadressaten versagen, spiegelt sich dies in der Kommunikation wider, dann lesen wir im Koran über ein Frauenbild des siebten Jahrhunderts oder über damalige Kriege. Dort, wo aber die Situation beinahe ideal ist und die Menschen im Paradies beschrieben werden, dort heißt es: "Gott ist mit ihnen zufrieden und sie sind mit Gott zufrieden. Das ist das große Glück"(5:119). Hier ist die Rede davon, dass auch die Menschen mit Gott zufrieden sein sollten, Gott lässt sich von den Menschen "evaluieren" und es ist ihm ein Anliegen, dass auch sie mit ihm zufrieden sind. Eine in meinen Augen unübertreffbare Aussage im Koran. Heute hängt die Gestalt der Kommunikation mit Gott und wie der Koran ausgelegt wird weiterhin vom Reifezustand des Menschen ab.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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