Der mit dem blauen Band

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Der vielseitig faszinierende polnische Künstler Edward Krasinski in Wien: erste Retrospektive nach seinem Tod.

Ich bin nicht so sehr bildender Künstler, wie vielmehr ein Animator des blauen Striches." Radikal und witzig war Edward Krasinski Zeit seines Lebens. Der 2004 verstorbene Künstler zählt zu den bedeutendsten Figuren der Neo-Avantgarde Polens der 1960er-und 70er-Jahre. Während der Urvater der Gegenwartskunst Marcel Duchamp alltägliche Objekte in die hehren Hallen der Kunst holte, ging Krasinski umgekehrt vor. Statt Bilder in Galerien auszustellen, erklärte der 1925 in Luck geborene Krasinski alltägliche Plätze zu Kunst-Orten, indem er sie mit einem blauen Klebeband markierte. Immer in der Höhe von 130 cm angebracht, tauchte das handelsübliche Klebeband seit 1968 an unterschiedlichsten Plätzen auf - und wurde zu Krasinskis Markenzeichen. Zentrale Anliegen waren das Sichtbarmachen von Wirklichkeit und die Infragestellung der traditionellen Vorstellung von Kunstproduktion, wie er einmal meinte: "Es ist eine Hochnäsigkeit seitens eines Künstlers, den Menschen Bilder als Objekte der Bewunderung vor die Nase zu halten. Ich mache Orte, Wände sichtbar, die sonst nicht zu bemerken, leblos wären."

"Mache Orte sichtbar"

In welchem Zusammenhang das blaue Band steht und wie vielschichtig sein Werk ist, spiegelt jetzt eine Ausstellung in der Generali Foundation. Die Schau ist nicht nur sehenswert, weil sie einen hierzulande viel zu wenig bekannten Künstler Polens vorstellt, sondern auch, weil es sich um die erste Retrospektive seit dem Tod Krasinskis handelt. Zugleich wird dem Besucher ein Stück polnischer Kunstgeschichte en passant näher gebracht. Krasinski war 1966 Mitbegründer der legendären Galerie Foksal in Warschau, einer einmaligen Institution in Mitteleuropa, die bereits unter dem kommunistischen Regime internationale Kontakte pflegte.

Sehr früh entwickelte Krasinski konzeptuelle Strategien, immer konterkariert von surrealen Momenten. Dabei spielten die damals schwierigen äußeren Bedingungen für polnische Künstler eine wichtige Rolle. Viele Werke mussten schnell wieder verschwinden, um der Zensur zu entgehen, was performative und konzeptuelle Zugänge begünstigte. Als Krasinskis Werke für die Tokio-Biennale 1970 aufgrund des langsamen Frachtschiffs nicht rechtzeitig zur Eröffnung eintrafen, ging er auf die Post, schickte das Wort "blue" 5000 Mal per Telex nach Tokio und ließ das lange Papierband auf dem für seine ursprünglichen Arbeiten entworfenen Podest ausstellen. Er selbst bezeichnete dieses konzeptuelle Vorgehen als Rettung der Situation: "Ich wollte einfach nicht, dass die Japaner glauben, dass es in Polen nur lauter Chaoten gibt." Als die Objekte im Laufe der Ausstellung doch noch in Tokio eintrafen, wurden sie laut Krasinskis Anweisungen aufgebaut. Sowohl den Tokio-Raum als auch eine Ausstellung der Galerie Foksal hat man für die Retrospektive rekonstruiert und zum Großteil mit den Originalwerken bestückt.

Persönlichkeit präsentiert

In der räumlich stimmigen Präsentation wird die komplexe Persönlichkeit lebendig präsentiert. So "empfängt" Krasinski den Besucher zu Beginn des Rundgangs in Form eines Fotos, montiert auf die reale Tür seines Ateliers, das er vom polnischen Konstruktivisten Henryk StazÙewski übernommen hatte und am Anfang mit ihm teilte. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes wurde Krasinskis Atelier in den 90er Jahren zu einem wichtigen Treffpunkt für junge polnische und internationale Künstler. Zugleich bezog er das Atelier in seine künstlerische Arbeit mit ein, indem er Gegenstände daraus in Ausstellungen zeigte und umgekehrt Ausstellungselemente später wieder in die Ateliergestaltung integrierte.

Von spröder Konzeptkunst also keine Spur. Krasinski war ein poetisch-ironischer Künstler. Fundstücke wie Gummibälle, Metallteile, Bücher oder Flaschen kombinierte er mittels Drähten, Fäden oder Stangen zu fragilen Skulpturen. Besonders nahe erscheint vor dem Spiegel der Gegenwartskunst der spielerische Umgang mit Kunst, das reflektierte Hinterfragen der Funktion des Künstlers in der Gesellschaft und das Oszillieren zwischen den diversen Medien.

EDWARD KRASINSKI.

Les mises en scène

Generali Foundation

Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien

http://foundation.generali.at

Bis 27.8 Di-Sa 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr

Katalog hg. v. Sabine Breitweiser e34,-

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