Der Moderator als Regisseur

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Normalerweise stehen Moderatoren vor der Kamera und eher selten dahinter – neue Technik und deren Anwendung lässt diese Grenze jedoch zunehmend verschwinden.

Mit einem Finger tippt die Moderatorin fast nebenbei ihr neues iPad an, der Zuschauer sieht daraufhin einen kurzen Beitrag, der zum aktuellen Gesprächsthema passt. Was Ingrid Thurnher in den diesjährigen Sommergesprächen so elegant vorzeigt, ist die neue Pflicht des Moderators: die Regie zu übernehmen.

Der Trend, Touchscreens als Hilfsmittel einzusetzen ist nicht neu, auch bei der Fußball-WM nutzten zahlreiche Studios diese Technologie, um den Moderatoren und deren Fingerspitzen neue Möglichkeiten zu eröffnen. Nicht nur Filme können so abgespielt werden, für den Fußball-Großevent in Südafrika wurde auch vor laufender Kamera die ideale Nationalelf auf einem Monitor zusammengestellt, Bilder der Spieler wurden dabei auf die gewünschte Postion gezogen. Passte dem geladenen Experten die Prognose nicht, benötigte er nur eine schnellen Geste mit der Hand – und der gewünschte Stürmer wechselte die Position. Ein holpriges „Ich bitte die Regie die MAZ abzuspielen“ fällt weg, die technische Struktur der Sendung rückt in den Hintergrund. Zeiten, in denen der Wettermann vor einer grünen Fläche steht und das besprochene Wetter nur im Monitor nach digitaler Einfügung sieht, neigen sich dem Ende zu. Inhalte verlassen die Räumlichkeiten der Regie und lassen sich angreifen.

So einfach wie eine Geste

Was anfangs als technische Spielerei belächelt wurde, ist in Wirklichkeit die neue Freiheit der Moderation – mit dieser kommen aber auch Pflichten. Es reicht nicht mehr, Gesprächsführer zu sein und den geladenen Gästen Fragen zu stellen. Beiträge müssen jetzt nicht mehr nur inhaltlich gekannt werden, auch das Feingefühl für das Einspielen der Aufzeichnungen muss nun vorhanden sein. Was nicht mehr notwendig ist, sind technische Kenntnisse – Antippen und Ziehen der Elemente benötigt weder Peripheriegeräte noch kryptische Tastenkombinationen.

Obwohl der Einsatz bei Live-Übertragungen mit Touchscreens neu ist, hat die Technologie an sich schon einige Jahre auf dem Buckel: Schon seit 1975 sind derartige Bildschirme im Einsatz. Als Grundlage der Berührungserfassung dient seither das Messen der Spannung zwischen den Schichten der Oberfläche. Ihren Weg haben derartige Displays über Organizer und Notebooks bis hin zu Spielkonsolen und Handys gefunden – nun hält der Trend auch Einzug in die Fernsehstudios. „Es ist jetzt nicht so, dass die Moderatoren auch Regisseure werden“, meint Ingrid Thurnher auf die Frage nach ihrem neuen Werkzeug. Sie gibt an, dass fünf oder sechs Beiträge für die Sendung ausgesucht und auf einem Server gespeichert werden. Auf dem portablen Monitor hat die Moderatorin eine kurze Vorschau auf die Clips und kann diese bei Gelegenheit abspielen, ganz ohne Kabel oder Bitte an die Regie.

Bei all dieser Emanzipation des Präsentierenden stellt sich jedoch die Frage, ob die Tendenz zu einem „Ein-Personen-Fernsehteam“ gegeben ist. Selbstbestimmende Videoreporter, die alleine recherchieren, filmen und schneiden sind durch digitale Technik keine Seltenheit mehr, Videoportale wie YouTube beweisen dies immer wieder. Dort erreichen selbstgedrehte Videos in semiprofessioneller Qualität regelmäßig über eine Millionen Zuseher – zum Vergleich hatte die erste Folge der diesjährigen Sommergespräche 562.000 Zuschauer. Qualitativ liegen Welten zwischen den digitalen Formaten und dem Fernsehen – Technik brauchen jedoch beide.

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