Der Mozart der Tanzmusik

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Zum 200. Geburtstag Joseph Lanners, der aus der Wiener Tanzmusik eine Kunstform schuf.

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Zum 200. Geburtstag Joseph Lanners, der aus der Wiener Tanzmusik eine Kunstform schuf.

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Keine Großausstellung, keine wissenschaftliche Aufarbeitung: So begeht Wien den 200. Geburtstag eines Mannes, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass sich die Stadt heute tourismuswirksam als Walzermetropole präsentieren kann. Joseph Lanner, geboren am 12. April 1801 in der Wiener Vorstadt, hob gemeinsam mit seinem Freund und Konkurrenten Johann Strauß Vater die Wiener Tanzmusik vom Boden der Wirtshäuser in höhere Sphären. Das "Zwillingsgestirn", so die "Oesterreichische National-Enzyklopädie" 1835, schuf aus lokaler Unterhaltungsmusik eine Kunstform.

Lanners früher Tod am 14. April 1843 und das Ableben seines als Nachfolger ausersehenen Sohnes zwölf Jahre später machte die Bahn frei für die Strauß-Dynastie und sein Ruhm verblasste. Dabei ist "die Instrumentation bei Lanner interessanter und feiner ausgeführt als bei allen seinen Tanzmusik komponierenden Zeitgenossen", konstatiert Otto Biba, Direktor von Archiv, Bibliothek und Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Lanner, so Biba, ist "einer der bedeutendsten österreichischen Komponisten". "Mozart der Tanzmusik", war 1841 in einer Zeitungsrezension zu lesen - ein Urteil, dem sich der Musikwissenschaftler und Lanner-Biograph Otto Brusatti gerne anschließt.

Von Lanners umfangreichen Schaffen ist heute nur ein Bruchteil bekannt, etwa "Schönbrunner", "Die Werber", "Die Mozartisten" oder die "Steyrischen Tänze". Zu Lebzeiten jedoch erschienen nicht weniger als 209 Kompositionen im Druck.

Über sein Leben ist wenig bekannt, außer dem, was aus seinen Kompositionen herauszulesen ist, ist nichts von ihm selbst Gesagtes überliefert. 1825 gründete er sein eigenes Orchester, zu dem auch Johann Strauß Vater gehörte. Lanners Walzer, Ländler, Galoppe und Potpourris der aktuellen Hits wurden zu Publikumsmagneten in den zahlreichen Etablissements und auf den vielen Festen der tanzfreudigen Stadt Wien. Er arbeitete bis zur Erschöpfung trat an einem Abend an mehreren Orten auf. Bald gründete auch Strauß sein eigenes Orchester, die nunmehrigen Konkurrenten blieben jedoch freundschaftlich verbunden; auf Lanners Begräbnis, an dem 20.000 Menschen teilnahmen, sorgte Strauß für die Musik. Im Gegensatz zu Strauß jedoch strebte Lanner nicht nach wirtschaftlichem, sondern nach künstlerischem Aufstieg. Die Bühne und die Kammermusik waren seine Ziele - die er jedoch nicht mehr erreichte.

Aus dem Duktus und der Führung vieler Solo-Geigen-Passagen, die er für sich selbst komponierte, lässt sich schließen, dass Lanner ein hervorragender Violinist gewesen sein muss. Seine persönlichen Vorlieben, seine Eigentümlichkeiten sind unbekannt. Die wenigen Details, die man aus seinem Privatleben kennt, sind katastrophal: im Babyalter verstorbene Nachkommen, ein Rosenkrieg mit seiner Frau, der sich bis zu seinem Tod hinzog, schwere Auseinandersetzungen mit seinem Vater, der schließlich im Armenhaus "Zum Blauen Herrgott" endete. Otto Brusatti: "Gelegentlich hat der Lanner-Suchende heute den Eindruck, wie einem Mittelalter- oder Renaissance-Komponisten hinterherzuforschen."

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