Der Museumsbesuch als vielschichtige Herausforderung

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Nach 80 Jahren wurde das Tiroler Volkskunstmuseum runderneuert und Luzifer ersetzt nun den Vogel Selbsterkenntnis. Eine gute Möglichkeit, sich neu mit den Traditionen Tirols auseinanderzusetzen.

Es ist schon einen Besuch wert, das runderneuerte Tiroler Volkskunstmuseum, das, 80 Jahre nachdem es ins ehemalige Franziskanerkloster neben der Hofkirche eingezogen ist, nun umgebaut, neu aufgestellt und der zeitgeistigen Museumskonzeption angepasst wurde. Immerhin beherbergt das Haus die größte und bedeutendste Sammlung von Kulturgut aus dem alten Tirol. Allerdings ist die Tour nicht ganz friktionsfrei. Schon an der Außenseite irritiert nun eine riesige rote Zunge – die von Luzifer, der nun das Sagen im Inneren hat. Der Vogel Selbsterkenntnis, der in den letzten dreißig Jahren die Leitfigur war und ganze Ausstellungen thematisierte, hat abgedankt.

Die Veränderungen ziehen sich im Innenhof weiter, denn das provokante Kreuz von Rudi Wach steht schon längst nicht mehr hier im kühlen Schatten, sondern mitten auf der Innbrücke; und im Entrée strahlt das Haus nun in modernem Ambiente, entspricht der üblichen Gestaltung.

37.849 Besucher kann das Museum, zusammen mit der Hofkirche, seit seiner Wiedereröffnung Ende Mai bereits zählen.

Den Beginn macht tatsächlich Luzifer, der Höllenfürst aus einem Zillertaler Nikolausspiel, der in einem Glaskasten zwischen Gerümpel kreist, von roten Leuchtschriften umzingelt wird und Fragen aufwirft.

Für den Besucher, der mit der Technik kämpft, wild auf den Knöpfen seines „Kastels“ herumdrückt, nichts auf dem Display sieht und schließlich leicht entnervt versucht, sich selbst ein Bild zu machen, ist der Start missglückt.

Gerümpel und Gerüche

Den Kopfhörer um den Hals geklemmt, fragt man sich, was einem der riesige Gerümpelhaufen rundherum signalisieren soll. Wenn man den Ausstellungsmacher bei der Hand hätte oder die Technik beherrschte, dann wüsste man, dass es hier um die Frage geht, „was wahr ist und was Ware“, und dass es sich bei den Gegenständen tatsächlich um Gerümpel handelt.

Die einzelnen Ausstellungsbereiche haben Schwerpunkte – im Erdgeschoß sind es die Krippen, „jene Miniaturdarstellungen des Evangeliums, die seit dem späten 18. Jahrhundert vom Kirchenraum in die Stuben gewandert sind“.

Im ersten Stock geht es um das „pralle Jahr“, sind die Exponate in einen Zyklus kirchlicher Feste, ausgelassener Feiern und vielfältiger Bräuche eingebettet und musikalisch untermalt; im zweiten Stock hingegen werden die sehr privaten Lebensabschnitte von der Geburt bis zum Tod thematisiert und zugleich mit Gerüchen unterlegt – ein etwas gewagtes Unterfangen. Zeitgeist hin oder her: Wer definiert eigentlich, wie Geburt, Kindsein, Jugend, Heirat, Altwerden oder Tod riechen, und muss man in einem Museum, das über einen überbordenden Fundus an Exponaten verfügt, unbedingt auch noch die olfaktorische Wahrnehmung bemühen?

Ein Besuch des neuen Museums ist also eine vielschichtige Herausforderung und keineswegs ein entspannter Spaziergang; aber es ist die Mühen wert, egal ob für Touristen oder Einheimische, sich mit den Traditionen Tirols auseinanderzusetzen.

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