Der Mythos ist nicht tot

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Vor 50 Jahren ist Marilyn Monroe gestorben. Ihr Tod blieb rätselhaft wie ihr Leben. Bis heute greifen Filmemacher auf ihren Mythos zurück. "Who Killed Marilyn?“ ist das jüngste Beispiel.

Kapriziös. So die Untertreibung zu ihrer professionellen Performance. Unglücklich. So selbige zu ihrem Leben: Als Norma Jeane Baker am Morgen des 5. August 1962 tot aufgefunden wurde, begannen die Spekulationen zu blühen. Sicher ist, dass Marilyn Monroe, so der Künstler- und Kunstfigur-Name der Verstorbenen, an einer Überdosis Schlafmittel verschieden war - ob durch eigene Hand oder durch einen Mord oder gar ein Komplott der Kennedys (sie hatte Affären mit Präsident John F. und dessen Bruder und Justizminister Robert), ist längst Teil des Mythos. Und dieser ist beileibe nicht tot.

Rund um den 50. Todestag ist die Gestalt (männlicher) Projektionen einer ganzen Generation wieder präsent. Die ersten der Nachkriegsjahrzehnte wurden durch sie als Stilikone mit den künstlich blond en Haaren geprägt. Selbst aktuelle Stilisierungen einer Persönlichkeit wie Lady Gaga rekurrieren auf den Einfluss, den die mit 36 Jahren Verstorbene bis heute ausübt.

"Doch der Tempel ist keins der Studios der 20th Century-Fox. / Der Tempel - Heiligtum aus Marmor und Gold - ist der / Tempel ihres Körpers.“ So schrieb einst Ernesto Cardenal, damals dichtender Trappistenmönch, in seinem "Gebet für Marilyn Monroe“. Und weiter: "Und dort steht der Menschensohn mit einer Peitsche in der / Hand // und treibt sie aus, die Händler der 20th Century-Fox, / die Dein Bethaus zu einer Räuberhöhle machten./ Sie hungerte nach Liebe, und wir boten ihr / Beruhigungsmittel.“

Noch heute fängt dieses Gebet des nicaraguanischen Priesterdichters Leben und Leid der Monroe genial ein. Und auch das Genre Film, in dem sie so reüssierte, greift immer aufs Neue auf ihre Gestalt zurück.

Rund ums 50. Todesjahr war das auch zu erwarten: Bereits im April lief die Tragikomödie "My Week With Marilyn“ an, der eine Woche der Monroe aus dem jahr 1956 beleuchtet: Damals war die eben mit Arthur Miller Verehelichte für die Dreharbeiten zu Laurence Oliviers "The Prince And The Showgirl“ in London, und der Regieassistent Colin Clark beschrieb (oder imaginierte) eine Affäre mit ihr. Wie kapriziös sie tatsächlich war und wie sie Sir Laurence an den Rand des Wahnsinns brachte, daran erinnert dieser Film beredt - und sicher nicht ganz unauthentisch.

Eine aktuelle filmische Näherung an die Kunstfigur

Pünktlich zum Todestag kommt nun eine französische Näherung an den Mythos ins Kino. "Who Killed Marilyn?“, so der deutschsprachige (!) Verleihtitel, der aber weniger vom Flair dieses Film wiedergibt als das französische Original "Poupoupidou“. Regisseur Gérald Hustache-Mathieu spielt darin ironisch und gekonnt mit vielen Versatzstücken des Marilyn-Monroe-Mythos, ruft sie so in Erinnerung und setzt sie raffiniert für die Handlung einer heutigen Krimikomödie ein. Einzig und allein die Tatsache, dass der Film mitten im Winter spielt, macht seine Aufführung im heimischen Hochsommer ein wenig unorthodox. Aber das ist schon der einzige Einwand, der angesichts des Feuerwerks an Ideen und Handlunsgverschachtelungen, mit denen dieser Film in die Irre und dann doch wieder zurück in die Marilyn-Nostaligie führt, vorzubringen wäre.

David Rousseau, Krimiautor von Gnaden, verschlägt es mitten im Winter ins Provinznest Mouthe, das für seinen Käse und seine Kälte (minus 36 Grad!) bekannt ist. Rousseau leidet unter einer ebenso akuten wie veritablen Schreibblockade. Als er aber schon wieder aus Mouthe abreisen will, wird im Schnee die Leiche der Dorfschönheit Candice Lecoeur gefunden. Während die Lokalpresse sowie die örtliche Polizeileitung gleich von einem Selbstmord ausgehen, beginnt Rousseau zu zweifeln - und kommt so endlich auf die Spur eines möglichen Stoffes für einen weiteren Roman.

Nicht nur der Tod, auch das Leben der Candice entpuppt sich als Stilisierung von Marilyn Monroe, und je tiefer Rousseau in die dunklen Geheimnisse der Toten vordringt, umso mehr "Marilyn“ wird sichtbar - bis zu einer Affäre mit einem Président und dessen gleichfalls politisch aktiven Bruder sowie einem hingehauchten "Happy Birthday, Mister President“, wie es ja von der echten Monroe überliefert ist.

Die Versatzstücke eines modernen Mythos zu verschachteln und zu einer Krimhandlung zu verweben, ist zweifelsohne ein Risiko, das nur in sehr kreativer Regie-Hand aufgeht: Hustache-Mathieu ist dafür Anerkennung zu zollen, dass dies alles gelingt. Er kann sich aber auch auf die Schauspielkunst von Jean-Paul Rouve als blockierter Krimiautor Rousseau stützen. Und Marilyn alias Candice Lecoeur, die in Rückblenden den Film belebt, ist bei Sophie Quinton in den allerbesten Händen.

Who Killed Marilyn? (Poupoupidou)

F 2010. Regie: Gérald Hustache-Mathieu. Mit Jean-Paul Rouve, Sophie Quinton, Guillaume Gouix. Polyfilm. 102 Min.

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