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Alexander Rodtschenkos kühne Konstruktionen für die Zukunft im Wiener Museum für Angewandte Kunst.

Der Raum ist das, wo wir nicht herauskönnen. Neben der Zeit ist er jene Grundkonstante, die unser Leben trägt. Insofern begleitete er die gesamte Kunstgeschichte, aber immer nur als ein Nebenproblem, in dem sich die großen Themen als Kunstwerke präsentieren. Erst zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wandten sich Künstler dem Raum als alleinigem Inhalt ihrer Arbeiten ohne große Erzählung drumherum zu. In der damaligen Avantgarde im spätzaristischen Russland und dann in der jungen Sowjetunion tummelten sich einige der herausragendsten Künstlerforscher. Einer von ihnen war der Maler, Designer, Grafiker und Fotograf Alexander Rodtschenko (1891-1956), aus dessen Ergebnissen eine Schau im Museum für Angewandte Kunst einige Höhepunkte präsentiert.

In der Aufbruchstimmung der frühen 1920er Jahre wollte Rodtschenko den Blick in die Zukunft in konkrete Anschauung bringen, als Zeichnung, als Fotografie und auch als Architektur. Er entwickelte dafür eine eigenständige Theorie des visuellen Denkens und der visuellen Sprache. Seine konstruktivistische Kunst sollte von ästhetischen, philosophischen und religiösen Auswüchsen befreit, eine neue Grundlage für die Gestaltung der gesamten Lebenswelt des Menschen bieten.

Rodtschenkos Bemühungen mündeten in einen neuen Architekturbegriff, der Gebäude unabhängig von einem jeweiligen zeitgenössischen Stil als einen Komplex von Raumformen auffasst, die ihrerseits untereinander in Beziehung stehen. Das Werkzeug ersten Ranges, die Linie, diente Rodtschenko nicht nur als Gestaltungsmittel, sondern offenbarte für ihn eine neue Weltanschauung, nämlich "wesentlich zu bauen und nicht abzubilden, zu verdinglichen oder zu abstrahieren, die neuen funktionalen, konstruktiven Bauten im Leben zu errichten, jedoch nicht von ihm abgewandt oder außerhalb des Lebens".

Dieser Zugang zur Architektur lässt sich nicht auf eine herausgepickte Form oder Geste einschränken, wie das Leben selbst erstreckt er sich auf ein weit gestecktes, mit assoziativen Einsprengseln versehenes wissenschaftliches Koordinatensystem. Rodtschenkos Raumkonzepte bedienen sich der Elemente von Fläche, Kreis und Linie, die stets grafisch und strukturbezogen verwendet werden. Die geometrisierend aufgefassten Flächen bilden bereits in den frühen Malstudien zur Zeit der so genannten Oktoberrevolution das Ausgangsmaterial für die entwickelten Raumsituationen.

Später verbinden sich kompliziert gebogene Flächen zum Design der Leuchter für das Moskauer Café Pittoresque oder tauchen im Entwurf für einen Zeitungskiosk wieder auf. In allen Plänen und Umsetzungen von Rodtschenko entwickeln die Linien eine ungeahnte Lebendigkeit, sie prallen aufeinander, überkreuzen und bündeln sich und erringen damit eine eigene Beweglichkeit. Sie sind aber auch das jähe Ende einer Form oder künden von technologischen Eingriffen wie einem Schnitt, einem Falz oder einer Kerbe. Rodtschenko war davon überzeugt, dass die Architektur der Zukunft Hochfassaden betonen würde, die Häuser würden auf Stützpfeilern stehen, um Raum für Verkehrswege zu schaffen.

Designgeschichte schrieb Rodtschenko mit der Gestaltung des Arbeiterklubs für die Internationale Kunstgewerbeausstellung in Paris 1925. Das äußerst funktionale Design verband sich harmonisch mit der strengen farblichen Skala von Rot, Grau, Schwarz und Weiß zu einem einheitlichen Ganzen.

Die Ausstellung im mak zeigt Skizzen und Pläne sowie eine Auswahl besonders markanter dreidimensionaler Objekte. Da Rodtschenko diese Objekte, nachdem er sie fotografiert hatte, zerstörte, wurden sie für die Schau nachgebaut.

Alexander M. Rodtschenko

Raumkonstruktionen

Museum für Angewandte Kunst,

Stubenring 5, 1010 Wien

Bis 26. 2. Di 10-24, Mi-So 10-18 Uhr

Katalog: Peter Noever (Hg.), Alexander M. Rodtschenko, Inventar des Raumes Wien 2005, 88 Seiten, e 21,

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