Der Presserat als Feigenblatt

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Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten. Wer diesen Satz von Hanns Joachim Friedrichs seinen sittlichen Richtlinien voranstellt, ist entweder naiv oder meint es ernst. Denn ein solcher Prolog beinhaltet die Aufforderung zur kritischen Auseinandersetzung auch mit dem folgenden Regelwerk.

Das Friedrichs-Zitat dient als Devise für den am Sonntag beschlossenen Ethik-Kodex der deutschen Fachjournalisten. Zur drei Tage davor paktierten Neuinstallation des Österreichischen Presserats ist weniger Grundsätzliches bekannt.

Gewerkschaft und Verleger einigen sich nach acht Jahren Pause wieder auf ein Organ zur freiwilligen Selbstkontrolle. Das freut nicht nur die üblichen Verdienstträger von der Chefredakteurin bis zum Möchtegern-Doyen. Doch die Frohbotschaft verdeckt viel Selbstbetrug.

Ein zeitgemäßer Presserat muss mehr leisten als die Brandmarkung schwarzer Schafe. Gerade die Identifizierung von Pfui-Aktionen verpflichtet zur Etablierung von Hui-Redaktionen. Das aber gilt nicht nur für externe Wirkungen von Journalistik sondern auch für interne Konditionen.

Der Ehrenkodex der österreichischen Presse ist zehn Jahre alt. Ihre aktuellen Arbeitsbedingungen sind jünger. Die hauptsächlich davon betroffenen Journalisten sitzen nicht in Diskussionszirkeln um einen Presserat. Dort philosophieren Chefredakteure, die ansonsten Budgetkürzungen ihrer Verlage exekutieren, und Gewerkschafter, die ihre Funktionen schon sehr lange ausüben.

Ein zeitgemäßer Presserat hat nicht nur Auswüchse der Branche zu geißeln, er muss auch ihre inneren Fehlentwicklungen thematisieren. Ganz im Sinne von „Hajo“ Friedrichs, den die deutschen Fachkollegen unvollständig zitieren. Seine Charakterisierung eines guten Journalisten endet damit, dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.

* Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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