Der Rastlose unter den Filmemachern

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Zur Viennale 2014 schenkte Manoel de Oliveira dem Publikum einen einminütigen Trailer, der wie eine Schlusspointe seines Lebens wirkt: Der darin gezeigte Brunnen, der sich in Oliveiras portugiesischer Heimatstadt Porto befindet, speit unaufhörlich Wasser, das die Vergänglichkeit, aber auch den Kreislauf des Lebens symbolisiert: In nur einer einzigen Einstellung hat der Filmemacher damit zum Ausdruck gebracht, woran er jahrzehntelang gearbeitet hat: Am Abbild des Daseins, an der Kunst der Stilisierung dieses Abbildes in den Medien Theater und Film. Jetzt ist der 1908 geborene Filmregisseur im Alter von 106 Jahren gestorben. Er galt als der älteste aktive Regisseur der Filmgeschichte, erst im Dezember stellte er sein neuestes Werk, den Kurzfilm "O velho do restelo" vor. Er war ein Rastloser, der selbst im hohen Alter noch äußerst agil wirkte. Beim Filmfestival von Cannes, wo man ihm zum 100. Geburtstag eine Ehrenpalme verlieh, zog er mit Gehstock und in hurtigem Tempo an so manch Jüngerem vorbei - nicht nur künstlerisch. Oliveira begann schon in der Stummfilmzeit mit dem Filmemachen: In seinem Debüt "Douro, faina fluvial"(1930) dokumentierte er Land und Leute rund um den Fluss Douro. Danach war das politische Klima in Portugal bis 1968 durch Diktator António Salazar vergiftet, nur wenige Filme entstanden in dieser Zeit, darunter sein erster Spielfilm "Aniki-Bóbó"(1942), der als erster Film des Neorealismus gilt. Der Film wurde ein Flop. Oliveira widmete sich anderen Leidenschaften: Er fuhr Autorennen, produzierte Portwein und wurde vierfacher Vater. Die meisten seiner Filme realisierte Oliveira erst nach seinem 60. Geburtstag - professionell produzierte Werke, rund 30 an der Zahl, die in ihrem Duktus behäbig und in ihrer Ausgestaltung fordernd sind. Leitbild in vielen Filmen ist die Verquickung des Films mit dem Theater. Seine Filme - von "O passado e o presente" bis zur "Tetralogie der gescheiterten Lieben" - feierten die sichtbare Präsenz einer Bühne, auf der kunst- und effektvoll Sprache und Rhythmus zelebriert wurden. Zu seinen bekanntesten Werken zählten "Am Ufer des Flusses"(1993),"Reise an den Anfang der Welt"(1997, der letzte Film mit Marcello Mastroianni) und "Ich gehe nach Hause"(2001) mit Michel Piccoli. Manoel de Oliveira erhielt zahlreiche Auszeichnungen in Cannes, Venedig oder Locarno. Am 2. April starb er in Lissabon. Nicht jedoch ohne ein weiteres Werk zu hinterlassen: Einen Film über Porto zur Zeit des Salazar-Regimes, den die portugiesische Kinemathek bis nach seinem Tod zurückhalten sollte.

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