Der Rattenfänger von Graz

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Der neue Chef des Steirischen Herbstes, Peter Oswald, will mit Kunst Menschen formen.

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Der neue Chef des Steirischen Herbstes, Peter Oswald, will mit Kunst Menschen formen.

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Als Leiter des Musikprotokolls im Steirischen Herbst erwarb sich Peter Oswald den Ruf eines "Rattenfängers", gelang es ihm doch, die Konzertsäle mit vorwiegend jungem Publikum zu füllen. Nun wird er vom Jahr 2001 an die Geschicke des Steirischen Herbstes lenken, keine leichte Aufgabe, ist doch diese Institution in den letzten Jahren nicht unbedingt von Erfolgen verwöhnt worden. Aber Oswald reizt die Aussicht, seine ganz persönlichen Ansichten über Kunst und Kunstmanagement in die Praxis umzusetzen. Zwei Merkmale hat diese Sicht: Einmal sollen möglichst viele Schranken niedergerissen werden, zum anderen ist Oswald nicht bereit, von seinen Ansprüchen an hohe Qualität Abstriche zu machen.

Seine Vielfältigkeit zeigte sich schon in seinem unüblichen Studiengang: "Ich wollte immer schon Musikwissenschaft studieren, aber man warnte mich vor einer brotlosen Kunst. Also suchte ich mir ein zweites Standbein und wählte - als gleichzeitig durchgeführtes Parallelstudium - Pharmazie." Diese Verbindung von Geistes- und Naturwissenschaft will Oswald auch in den Steirischen Herbst einbringen, um beide Richtungen aus ihren engen Mauern herauszuführen. Das soll nicht nur im Dienst der Künstler geschehen, sondern auch dem Publikum einen neuen Zugang zur Wirklichkeit eröffnen: "Unser aller Leben wird doch von beiden geformt, von Kunst und Wissenschaft. Wenn man den Menschen erklärt, daß moderne Kunst mit ihrer eigenen Existenz zu tun hat, wenn ihre Abgründe und Probleme in einer Kunstform objektiviert und damit erfahrbar gemacht sind, lassen sich die Menschen begeistern, auch und vielleicht ganz besonders die jungen. Diese Vermittlerrolle will ich für die neue Kunst mit aller Leidenschaft spielen."

Leidenschaft für Kunst formte Oswalds Leben schon als er noch ganz jung war. Sein prägendes Erlebnis war für den gebürtigen Vorarlberger ein Konzert der Wiener Philharmoniker mit Swjatoslaw Richter. Seither gehört Beethoven mit Schubert, Verdi und Mozart zu seinen Lieblingskomponisten. Besonders aber setzt er sich für die neueste Musik ein. Sie führte ihn vor Jahren nach Darmstadt, wo er Alfred Schlee begegnete, dem Leiter der Universal Edition. Dieser engagierte Oswald für die Öffentlichkeitsarbeit des Verlages. "Es war eine wunderbare Zeit, bei der ich die Kunstwelt von innen kennenlernte."

Seine Arbeit für die Kunst beruht auf der Überzeugung, daß man mit ihr Menschen formen kann: "Man kann das Sensorium für das andere, das Fremde steigern und dadurch eine Neugier wecken, die sich schließlich in Offenheit für Menschen, Regionen und Völker auswirkt." Oswalds Neubeginn in Graz ist allerdings mit seinem Abschied vom Wiener Klangforum verbunden: "Ich liebe diese Institution, aber es war die Zeit gekommen, einen Wechsel vorzunehmen." Ständiger Aufbruch zu Neuem ist vielleicht Oswalds Hauptanliegen.

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