Der schwarze Spiegel

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Pablo Picasso und seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Medium Photographie.

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Pablo Picasso und seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Medium Photographie.

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Ich habe die Photographie entdeckt. Jetzt kann ich mich umbringen. Es gibt nichts mehr, was ich noch lernen könnte", soll Picasso um 1910 geäußert haben. Was bis vor wenigen Jahren auch für die kunsthistorische Forschung weitgehend Neuland war, ist die Kenntnis von der intensiven Beschäftigung Picassos mit dem Medium Photographie über Jahrzehnte hinweg.

17.000 Photodokumente aus seinem Nachlaß im Musee Picasso (Paria) konnte Anne Baldassari für ihre Untersuchungen sichten. Ihre umfassende Publikation ist nun auch Begleitkatalog einer ausgezeichneten Ausstellung, die in der Kunsthalle in München zu sehen ist. Rund 300 Photos, Zeichnungen und Gemälde ermöglichen faszinierende Einblicke in das Bezugssystem von Photographie und Malerei in unterschiedlichen Werk- und Schaffensphasen.

Schon 1904 besaß Picasso eine eigene Kamera. Auf einem Photo seines Freundes Ricardo Canals inszeniert er sich selbst im Spiegel, den Apparat geschickt kaschierend. Der Maler erscheint im Autoporträt, in raffinierten Doppelbelichtungen, Spiegelporträts, als Schatten seiner selbst im Profil und immer wieder in den Ateliers vor seinen Bildern. Werkprozesse photographisch zu dokumentieren, zu beobachten und entsprechend zu verändern, aber auch in ihrer Abfolge zu reproduzieren und gleichsam vor seinem Auge die innere Vision wieder sichtbar zu machen, waren seit 1901 ein unverzichtbares Mittel, sich der Photographie zu bedienen: so bei der Entwicklung der "papiers colles", der Stilleben mit Gitarre, seines großen Gemäldes "Guernica".

Photographische Vorlagen wie zum Beispiel Visitenkartenporträts, ethnographische oder volkskundliche Postkarten, werden entschlüsselt und umgedeutet, mit anderen Bildquellen verknüpft. Edmonde Fortiers Aufnahme einer Frauengruppe aus Westafrika (1906) erlaubt neue Einsichten in die Entstehung von "Les Demoiselles d'Avignon". Schon bald nach 1900 bewirkt die zunehmend photographische Beobachtung einen Verzicht auf Farbe, die Hinwendung zu monochromer Auffassung, zu "Blau als Nicht-Farbe", wie Baldassari nachweist. Blautonige Abzüge (Zyantropie) kamen damals auf, einen solchen hat Picasso nachweislich besessen.

Aufschlußreich für den Beginn des Kubismus sind seine Landschaftsaufnahmen im spanischen Horta de Ebro 1909. Die Dächer- und Gebäudeformen des kleinen Ortes, aus unterschiedlichen Standpunkten aufgenommen, verschmilzt Picasso in der Malerei zu einer neuen Sicht prismatischer Strukturen. Seit den dreißiger Jahren nutzt der Künstler souverän alle Möglichkeiten des Experiments, bearbeitet lichtempfindliches Material, schneidet, kratzt, ritzt auf Positiven und Negativen, verbindet Photographie mit Radierung.

Bis 3. Mai Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung Theatinerstraße 15, 80333 München

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