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Ein Gespräch mit dem bildenden Künstler leo zogmayer, der viele Sakralräume gestaltet hat. (Vgl. dazu auch die Bilder auf Seite 21 und 22 diese Dossiers.)

Die Furche: Die Thematisierung von Schweigen, Leere und Armut (an Dekor) zieht sich als roter Faden durch Ihre Gestaltungen. Wie charakterisieren Sie einen schweigenden Raum im Gegensatz zu einem "geschwätzigen"?

Leo Zogmayer: Das räumliche Äquivalent zum Schweigen ist die Leere. Ein Sakralraum braucht Leerstellen. Wir sind nicht mehr im Zeitalter der Biblia pauperum (= spätmittelalterliches Bilderbuch mit Darstellungen biblischer Geschichten, Anm.). Wir haben alles andere als einen Mangel an Bildern. Eher plagt uns eine Art Bilderverstopfung. Die Welt ist aufgebläht von massenhaften Bildkomplexen, die wir nicht mehr verdauen können. Da bietet sich eine Chance, ernst zu nehmen, was Juden und Christen als erstes Gebot bezeichnen, sich eben keine Bilder zu machen. Und die Bilder, die wir dennoch brauchen, zur Kommunikation und ästhetischen Reflexion, sollten offen und lose sein. Also keine fixen Vorstellungen, die dann als Legitimation für aggressive Handlungen gegenüber Andersbebilderten verwendet werden. Offene Bilder und poröse Geschichten statt dichter Absperrungen...

Die Furche: Formalistische Spielereien und dekorative Details sucht man in den von Ihnen gestalteten Sakralräumen vergebens. Ihre Interventionen sind von Reduktion, Präzision und Konzentration geprägt. Sie sagen, den Dingen, der Sache auf den Grund gehen zu wollen. Wo ist dieser Grund zu finden?

Zogmayer: Da der "Grund" grundlos ist, werden wir ihn natürlich an keinem Ort finden - oder an jedem. Das theistische Gerede von der Gottesferne kultivieren Gottsucher, die bei der Taufe nicht nass werden wollen. Bis heute errichtet man gerne so genannte Wegkirchen - begehbare Illustrationen verkopfter eschatologischer Konstrukte. Es gibt keinen Weg zu Gott, denn da müsste er zuvor von uns weg sein.

Die Furche: Neben dem Schweigen ist das Begegnen der zweite wesentliche Faktor, den ein Sakralraum ermöglichen soll - Stichwort "Communio". Wie sieht diese "Communio" als Versammlungsform für Sie aus?

Zogmayer: Man sitzt im Kreis und schaut einander in die Augen. - Keine Ahnung, warum das manchen Menschen Angst macht. Kirchen, die in diesem Sinn als "Communio-Räume" eingerichtet werden, erlauben eine neue, unverkrampfte Form liturgischer Versammlung. Die zentrierende Grundform reduziert die Entfernung der Versammelten von Tisch und liturgischem Handlungsraum auf einen Bruchteil der in längsorientierten Wegkirchen üblichen Distanzen.

Kreis- und Ovalformen unterstützen den Zuwendungsaspekt der Versammlung besser als die geradlinige Aufreihung in Rechtecksformationen, welche meist eine als zwanghaft empfundene Konfrontation mit dem Gegenüber erzeugt. Wichtig ist schließlich, dass die Mitte zeichenhaft frei bleibt - für das Unsagbare.

Die Furche: Der Bestuhlung wird bei der Gestaltung von Kirchenräumen zumeist wenig Beachtung zuteil. Für Sie ist sie aber "größte und bestimmendste Skulptur im Kirchenraum", den einzelnen Stuhl bezeichnen Sie als "liturgisches Gerät".

Zogmayer: In meinen bisherigen Kirchenprojekten gibt es keine starren Bänke. Um nicht Sitzordnungen statisch festzuschreiben, verwende ich mobile Einzelstühle, wobei es für die meisten dieser Räume ortsspezifische Entwürfe gibt. Im Verband bilden die Stühle ein leichtes, transparentes Geflecht, d.h. es entstehen keine massigen Blöcke, die den Raum dominieren. Der Boden als konstitutives Element der Architektur bleibt sicht- und spürbar.

Aus liturgischer Sicht zeigt sich, dass der Stuhl zugleich räumliche Negativform und bildhafter Platzhalter für den Menschen ist. Er beeinflusst nicht unwesentlich unsere Sitzhaltung. Gerade im Kultraum geht es um die Entsprechung von äußerer und innerer Haltung.

Die Furche: In vielen Sakralräumen ist zu beobachten, dass der Umgang mit bewusst freigehaltenen Bereichen sehr schwer fällt. In uns vertrauten Sehmustern wird Leere oft als Mangel empfunden und zum "Horror vacui", der Angst vor der Leere. Warum ist diese kompromisslose Leere so wesentlich?

Zogmayer: Weil Idolatrie krank macht! Wir lösen das Problem, dass viele Menschen nichts mit sich anzufangen wissen, nicht, indem wir sie mit "Bildmaterial" versorgen. Die Kirchen tun sich da sehr schwer, und ich glaube nicht, dass es sich dabei um ein explizit ästhetisches Problem handelt. Es ist eher ein theologisches Manko.

Es ist schon traurig, wenn immer wieder stimmige, architektonisch hochrangige Räume plötzlich mit dekorativem Plunder zugeschüttet werden. Da hat dann selbst manche Kirche von Rudolf Schwarz keine Chance - oder die Kapelle von Ottokar Uhl im Stift Melk. Wobei solcher Vandalismus nicht auf moderne Kirchen beschränkt ist.

Die Furche: Derzeit wird Ihr Gestaltungskonzept für die vom Jahrhunderthochwasser 2002 stark in Mitleidenschaft gezogenen Pfarrkirche von Mitterkirchen/OÖ umgesetzt. Wie gehen Sie mit diesem Kirchenraum um - was ist Ihre Idee dahinter?

Zogmayer: Die gotische Raumwirkung wird nach der Neugestaltung des Innenraumes deutlicher lesbar als bisher. Der Dialog zwischen gotischer Architektur und einer Neugestaltung ohne jegliche historisierende Anbiederung sollte ein sehr schönes Ambiente erzeugen. Das Leitthema "Das Reich Gottes ist schon jetzt in eurer Mitte" (Lk 17,21) führt den Kirchenbesucher ohne pädagogischen Nachdruck ins Jetzt, das mindestens so stark thematisiert wird wie die vertrauten religiösen Narrative. Kronos, der häufig christliche Kirchen unerkannt dominiert, bleibt unbedient, während wir uns mit seinem Gegenspieler Kairos anfreunden.

Das Gespräch führte Martina Gelsinger.

HINWEISE:

* Das Leitthema vom Reich Gottes aus dem Lukasevangelium ist nicht nur an der Eingangstür der Pfarrkirche Mitterkirchen zu entdecken, sondern auch auf dem Ziffernblatt einer von Leo Zogmayer entworfenen Uhr (Bild oben). Als "multiples Kunstobjekt" soll die Uhr ein Identifikationsobjekt sein, das alle Träger mit dem "Programm" dieser Kirche verbindet und deren Verkauf zusätzliche Mittel für die Neugestaltung einbringt (erhältlich beim Kunstreferat der Diözese Linz, 0732/ 736581-4442, kunst@dioezese-linz.at).

* Die Weihe der Pfarrkirche Mitterkirchen findet am 12. Dezember statt. Infos: www. dioezese-linz.at/ pfarren/_db/ pfarren.php?ID=4230

Leo Zogmayer

Leo Zogmayer, geb. 1949 in Krems, Hochschule für Angewandte Kunst Wien, Ateliers in Wien und Krems; Ausgehend von der Malerei arbeitet Leo Zogmayer in vielen Medien wie Grafik, Typografie, Objektkunst und Skulptur.

Ausstellungen in Wien, Köln, Budapest, Paris, London, Madrid, Rom, Basel und Los Angeles u.a.

Neben seiner autonomen künstlerischen Arbeit und seinen künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum hat sich Leo Zogmayer in den letzten Jahren intensiv mit der Gestaltung von Kirchen- und Kapellenräumen beschäftigt: Aschaffenburg (Maria Geburt, 1999), Bonn (St. Franziskus, 2001), Brüssel (St. Paulus, 2001), Innsbruck (Stift Wilten, Marquardkapelle, 2001 und Kapelle im Karmel St. Josef, 2003).

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