Der Skandal hat Folgen

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Wer letzten Sonntag die St. Patrick's Cathedral in New York nach dem Pontifikalamt durch das Hauptportal verließ, geriet in eine lautstarke Demonstration Homosexueller, die in Sprechchören und auf Plakaten forderten: "Hängt eure Sünden nicht den Schwulen an!" Der Vorfall ist nur ein Indiz von vielen, dass der Skandal, der die katholische Kirche der USA in hierzulande kaum vorstellbarer Heftigkeit erschüttert, bereits so gut wie alle gegen alle aufgebracht hat.

Die Fakten sind relativ einfach rekapituliert: Plötzlich sind Vorwürfe sexuellen Missbrauchs Unmündiger durch katholische Priester aufgetaucht, die lawinenartig anschwollen. Die meisten Fälle liegen Jahrzehnte zurück, manche dürften auch aus finanziellen Gründen erdichtet worden sein; aber der Zorn der Gläubigen richtet sich noch mehr als gegen die Missetäter gegen Bischöfe, die diese Fälle gekannt, aber vertuscht und nicht den staatlichen Justizbehörden, ja nicht einmal den Seelsorgebezirken mitgeteilt hatten, in die die betreffenden Priester versetzt wurden.

Bezeichnend ist, dass beide Flügel der katholischen Kirche die Situation für sich zu nutzen versuchen: Reformanhänger verlangen naturgemäß Offenheit, Transparenz und eine Neuorientierung der Kirche in Sachen Sexualität, konservative Kreise machen eine angebliche nachkonziliare "Laxheit" in der Darstellung der Zölibatslehre verantwortlich und verlangen eine Rückkehr zu unerbittlicher Strenge.

Natürlich stimmt es, dass nicht der Zölibat zur Exklusivursache der Krise erklärt werden darf, weil es Pädophilie auch unter verheirateten Männern (und in Kirchen mit verheirateten Amtsträgern) gibt. Und natürlich ist auch Homosexualität kein stärkerer Auslösegrund als Heterosexualität. Und dennoch kann eins nicht mehr verdrängt werden: Der Pflichtzölibat auch für Weltpriester engt in einer pansexualisierten Gesellschaft das Reservoir für Priesternachwuchs unveranwortlich ein. Eine Öffnung für verheiratete Männer und für Frauen würde die Kirche entscheidend bereichern. Darüber debattieren endlich in aller Offenheit auch Bischöfe und Kardinäle. In Amerika.

Hubert Feichtlbauer ist freier Publizist.

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