"Der Spalt"

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Anmerkungen eines interessierten Beobachters zu einer Neugründung auf dem österreichischen Wochenzeitungsmarkt.

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Anmerkungen eines interessierten Beobachters zu einer Neugründung auf dem österreichischen Wochenzeitungsmarkt.

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Jetzt gibt es sie also wirklich. Jeden Donnerstag. Ohne Gutschein. Um öS 25,-: Die neue österreichische Wochenzeitung "Der Spalt", die sich präpotenterweise im Untertitel einfach "Die österreichische Wochenzeitung" nennt - als gäbe es nicht ... doch davon später (III.).

Mit aller barocken Sinnenfreude und Lust an der Selbstdarstellung, mit allem Witz und Esprit, deren das führende katholische Medienhaus Österreichs fähig ist, wurde der "Spalt" jüngst aus der Taufe gehoben. Echt stilvoll, so gar nicht schnöselig.

Schön. Und jetzt. Schon wieder eine neue Zeitung. "Der Spalt" - aha. So sind die Katholen, wenn sie geistreich oder witzig sein wollen. - Nein, so einfach ist es bitte nicht. Ich sage Ihnen, warum Sie den "Spalt" brauchen könnten, ihn kaufen, abonnieren, lesen sollten.

I. Der "Spalt" ist eine katholische österreichische Qualitätswochenzeitung; früher hätte man vielleicht einmal "kulturpolitische Wochenschrift" oder so etwas ähnliches gesagt. "Katholisch" ist natürlich schwer vermittelbar: erstens klingt das nicht wirklich up 2 date, wie es heute ganz aptudeitig heißt; zweitens weiß man nicht so genau, was man sich darunter vorstellen soll: Krenn, König, Küberl, Krätzl? Von allem etwas? Vielleicht hilft hier ein anderer weiter, der zwar nicht mit "K" anfängt, aber mit "C": Fritz Csoklich, der langjährige Chefredakteur der - apropos: katholischen - "Kleinen Zeitung" und heutige Präsident der Katholischen (schon wieder!) Aktion Steiermark. Der müßte es eigentlich wissen: "Katholisch heißt weltoffen, universal", hat er unlängst behauptet; und einbekannt, daß er Freiheitsräume in Kirche und Politik für etwas ganz Essentielles halte. Soviel vorerst zu "katholisch".

Von daher ließe sich vielleicht das weltanschauliche Spannungsfeld der neuen Zeitung abstecken: versuchen wir es mit den Pfeilern katholisch - liberal - konservativ, oder katholisch (das bleibt) - weltoffen/tolerant - wertebewußt, oder ... Wie auch immer, irgendwie zwischen diesen drei Eckpunkten bewegt sich der "Spalt", muß er sich bewegen, wenn er seine Identität nicht preisgeben will. Die Versuchung ist groß, die Spannung zwischen diesen drei Polen in eine Richtung einseitig, auf Kosten der beiden anderen, aufzulösen; das wäre ebenso fatal, wie diese Markierungen als hochgezogene Abgrenzungen nach außen zu verstehen.

Das eben Gesagte bedeutet maximale Offenheit gegenüber anderen Positionen, Konfessionen, Religionen bei maximaler eigener Grundsatztreue und -festigkeit (man erinnere sich hiezu etwa an die den Katholischen Hochschulgemeinden zugrundeliegenden Ideen). In Schlagworten: Toleranz, ein unmißverständliches Bekenntnis zum Pluralismus und eine ebenso eindeutige Absage an jede Spielart von Integralismus, einem "von oben" verordneten Ineinander von Gesellschaft und Religion.

II. Der "Spalt" ist so etwas wie eine Plattform für die Themen der Zeit. Nicht daß er ein Monopol auf diese Themen hätte; aber er versucht, sie aus seinem eben skizzierten Selbstverständnis heraus zu besetzen, neu zu beleuchten. Qualität und Kontinuität werden dabei oberste Maximen sein müssen.

Qualität auch im Sinne von "Qualität als Widerstand" ((c) Gerfried Sperl) - als Widerstand gegen das Diktat der Kommerzialisierung und Ökonomisierung, der Verflachung und des Hangs zum Infotainment; denn ...

III. ... - und jetzt werden wir persönlich - seien wir ehrlich, was wollen Sie wirklich, abgesehen von den Tageszeitungen, noch lesen. Gut, es gibt zum Beispiel Armin Thurnher. Aber erstens ist der "Falter" nicht ganz so gut wie sein Chefredakteur; und außerdem: glauben Sie wirklich, daß zwischen Thurnher und Andreas Mölzer kein Platz für einen intellektuellen Diskurs ist? Ach, Sie wissen nicht, wer Andreas Mölzer ist. Der leitet - neben seiner umfangreichen Kolumnistentätigkeit - eine Wochenzeitung namens "Zur Zeit. Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur". Die Zeitung bewegt sich so hart am äußersten rechten Rand, daß Andreas Khol lange nachdenken müßte, ob sie noch innerhalb des Verfassungsbogens Platz hat.

Nein, im Ernst, man sollte "Zur Zeit" nicht die Illusion gönnen, die einzige Alternative zum "Falter" zu sein. Was aber soll man davon halten, wenn einem ein an sich ausgewiesen liberaler und querdenkerischer Kopf wie Günther R. Burkert-Dottolo, Direktor der Politischen Akademie der ÖVP, als Autor auf Seite 1 in "Zur Zeit" entgegenlacht? Eben. - Und man sollte dem "Falter" nicht die Illusion gönnen, das einzige intellektuelle Forum links von Mölzer & Co. darzustellen.

Und sonst. Jaaaa, die Montagsmagazine. "profil" zum Beispiel, Sie erinnern sich? Das Nachrichtenmagazin aus den Siebzigern fiel in letzter Zeit, seit dort die Yuppie-Partie am Ruder ist, eher durch Handy- und Wein-Titelgeschichten auf. Im politischen Diskurs hat sich der Herausgeber vor allem damit profiliert, daß er "Nein" zu Haider als Landeshauptmann gesagt hat. Hat zwar nichts genützt, aber immerhin eine klare Botschaft. Die letzten beiden Covers indes haben mich jedenfalls eher ratlos zurückgelassen: "Jetzt Schulden machen", hieß es da kritisch-aufdeckerisch, "Kredite billig wie noch nie" - und eine Woche später "77 Tage bis zum Weltuntergang" ...

Zur Konkurrenz nur ein Satz: Wer "News" und "tv-media" herausgibt, bei dem ist man skeptisch, wenn er plötzlich "Format" zeigen will.

IV. Genau deshalb gibt es jetzt den "Spalt". Es war hoch an der Zeit für eine Wochenzeitung dieses Zuschnitts. Man muß den Verlegern dankbar sein für die Perspektive, die sie damit eröffnet haben. Denn das Ganze wird, das kann man sich ausrechnen, kein kommerzieller Knüller werden. Der "Spalt" ist per se ein Minderheitenprogramm. Nicht aus Arroganz oder Eliten-Dünkel, sondern von seinem Anspruch her. Aber wenn schon Minderheitenprogramm, dann akzentuiert. Alles, was heute mehrheitsfähig ist, war gestern ein Minderheitenprogramm. Vielleicht läßt sich im Blick durch den "Spalt" erkennen, was morgen mehrheitsfähig sein wird.

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