Der steile Aufstieg der fliegenden Helfer

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Ob im Rettungswesen, in der Landwirtschaft oder in der Wissenschaft - der Einsatz ziviler Drohnen erlangt immer mehr Bedeutung. Ihre mögliche Massenanwendung stellt Gesellschaft und Gesetzgeber vor neue Herausforderungen. Bericht vom "Science Talk" in Wien.

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Ob im Rettungswesen, in der Landwirtschaft oder in der Wissenschaft - der Einsatz ziviler Drohnen erlangt immer mehr Bedeutung. Ihre mögliche Massenanwendung stellt Gesellschaft und Gesetzgeber vor neue Herausforderungen. Bericht vom "Science Talk" in Wien.

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Flughäfen auf sanften Hügeln, kombiniert mit lokalen Handelszentren, Postdiensten und Arztpraxen: Die Pläne für so genannte "Droneports" sind schon in der Schublade - zumindest in jener des britischen Stararchitekten Norman Foster, der in Ruanda bis 2020 die ersten drei Drohnen-Flughäfen als Pilotprojekt in die Höhe ziehen will. Wie sein Architekturbüro kürzlich mitteilte, könnten die "Droneports" rasch dabei helfen, das Land zu erschließen und auch lebenswichtige Medikamente in die abgeschiedenen Regionen zu transportieren. Das Büro hofft, in Ruanda ein ganzes Netz an "Droneports" aufbauen zu können. Laut bisherigen Plänen sind 40 weitere "Droneports" geplant; die medizinische Versorgung und der gewerbliche Einsatz sollen über zwei parallele Flugnetze abgewickelt werden.

Lukrativer Zukunftsmarkt

Szenenwechsel nach Salzburg: Dort haben unbemannte Fluggeräte seit ein paar Tagen einen nächtlichen Routine-Dienst aufgenommen. In einer Höhe von circa 60 Metern überfliegen die Drohnen Fernwärmeleitungen; mittels Wärmebildkamera vermögen sie schadhafte Stellen punktgenau festzustellen. Risse in den Leitungen sollen durch die ferngesteuerten Mini-Kameras schon frühzeitig aufgespürt werden.

Und wer kleine Kinder hat und seinen Sommerurlaub an der Adria-Küste verbracht hat, wird vielleicht festgestellt haben, dass Drohnen derzeit auch in Spielzeug-Geschäften der große Renner sind. Diese Anekdote erzählte Martha Brinek vom österreichischen Wissenschaftsministerium, die am 19. Oktober eine Diskussionsrunde zum Thema eröffnete: Der gut besuchte "Science Talk" erörterte Chancen und Risiken einer bevorstehenden "Invasion der Drohnen" - denn tatsächlich sprießen die potenziellen Testfelder und Anwendungsideen derzeit wie die Pilze aus dem Boden. Und die vielseitigen Rotor-Flieger haben heute auch als erschwingliches ElektroSpielzeug für Erwachsene einen gewissen Spaßfaktor erlangt.

Wie so oft in der Geschichte technischer Innovationen wurden Drohnen ursprünglich für militärische Zwecke konzipiert. Doch das gewaltige Potenzial im zivilen Bereich eröffnete den Ausblick auf einen lukrativen Zukunftsmarkt, der nun immer vielfältiger - und konkreter - wird. "Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung; aber gut vorstellbar, dass der zivile Einsatz von Drohnen zu einer Massenanwendung wird", sagte Michael Nentwich vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dem pflichtete die TU-Forscherin Annette Mossel (s. unten) bei: "Wir erleben gerade das Aufkommen einer neuen Technologie, die ungeahnte Möglichkeiten bietet und als Multifunktionswerkzeug betrachtet werden kann."

Fliegende Postboten

Werden Drohnen gar die neuen "Haustiere" des Menschen -so wie in der Steinzeit das Bündnis mit dem Wolf und die Domestizierung anderer Tiere die technischkulturelle Evolution beflügelte? Faktum ist, dass Drohnen bereits heute unschätzbare Dienste leisten können: Sie spüren Vermisste auf, etwa im Fall von Bergunfällen und Lawinenabgängen, und stehen für den Katastropheneinsatz parat. Sie sondieren, vermessen und kartieren; begutachten Pipelines, Hochspannungsleitungen und Industrieanlagen. Sie überwachen Großveranstaltungen und erleichtern die Verlegung von Stromkabeln in unwegsamem Gelände.

Auch die Landwirtschaft kann profitieren - sei es durch das Monitoring von Böden, Feldern und Viehherden, durch den Einsatz als "fliegende Vogelscheuche" oder als bewegliches Instrument zur Schädlingsabwehr. Auch im Sinne des Umweltschutzes bieten sich viele Einsatzmöglichkeiten. Ob der atemberaubenden Perspektiven zeigt sich nicht zuletzt die Filmindustrie begeistert. Und wenn große Internet-Konzerne wie Amazon und Google mit ihren Ankündigungen ernst machen, sollen uns diverse "Packerln" künftig auch per Drohnen-Post ins Haus (oder in den Garten) geliefert werden. "Dafür müsste allerdings noch viel mehr Infrastruktur mit Aufladestationen geschaffen werden, um die Drohnen länger fliegen lassen zu können", bemerkte Mossel. Aufgrund der aktuellen Akku-Technologie sind die Wegstrecken begrenzt; marktübliche Drohnen fliegen derzeit maximal 20 Minuten. Für die Forscherin aus dem "Virtual Reality"-Team der TU Wien liegt die Zukunft von fliegenden Roboter-Boten eher in ländlichen, schwer erreichbaren Gebieten wie im ländlichen Afrika, nördlichen Russland oder in Wüstenregionen.

Kampf gegen unliebsame Drohnen

Damit diese Flugobjekte sich in dicht besiedelten Gebieten bewegen dürfen, müsste erst ein rechtlicher Rahmen mit Überflugverboten und Kennzeichnungspflichten geschaffen werden. Seit 2014 ist der zivile Einsatz von Drohnen mit der Novelle des österreichischen Luftfahrtgesetzes grob geregelt. Nun ist die Entwicklung detaillierter Regelungen angesagt: "Es gab schon so manchen Zwischenfall: So konnte die Kollision einer Drohne mit einem Rettungshubschrauber gerade noch verhindert werden", berichtete Joachim Janezic vom Institut für Luftfahrtrecht in Graz. "Die größte Herausforderung liegt jetzt darin, dass wir die Rechtsvorschriften, die mit dem Betrieb verbunden sind, zum Enduser bringen müssen."

Abzuraten ist jedenfalls von einer neuen Wild-West-Mentalität, die im Sommer ein 47-jähriger US-Amerikaner an den Tag legte, als er die Drohne des Nachbarn, die über seinem Haus kreiste, kurzerhand abknallte. Auch der Kampf gegen unliebsame Drohnen ist nun zum Geschäftsfeld geworden: Eine US-Firma hat kürzlich ein Radiowellen-Gewehr vorgestellt, das die kleinen Flieger mit elektromagnetischen Störsignalen vom Himmel zu holen verspricht.

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