Der steinige Weg zur Ethik in den Medien

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Eine europäische Öffentlichkeit braucht Standards. Journalismus in Europa ist höchst unterschiedlich.

Demokratie bedarf der Öffentlichkeit, diese der Medien, welche wiederum Qualität zu bieten hätten. Wie diese Qualität unter Bedingungen weitestgehender Meinungsfreiheit gesichert werden kann, war voriges Jahr Thema einer internationalen Tagung in Wien, deren Beiträge nun als Buch vorliegen und diese Woche, ebenfalls in Wien, präsentiert wurden (Europäische Öffentlichkeit und journalistische Verantwortung, herausgegeben von Horst Pöttker und Christian Schwarzenegger, Herbert von Halem Verlag). Äußerst pointierte Feststellungen zum Thema lieferte der Schweizer Peter Studer. Der promovierte Jurist war Chefredakteur beim Tages-Anzeiger und beim Schweizer Fernsehen sowie von 2001 bis 2007 der auch international anerkannte Präsident des Schweizer Presserates.

Steht und hält die Mauer?

Der internationale Erfahrungsaustausch ist für die Beteiligten von Interesse, in der Sache hingegen von geringer Relevanz. Die Bemühungen um eine verbindliche europäische Medienethik stoßen auf hohe strukturelle Hindernisse. Studer, die Kommunikationswissenschaftlerin Marlis Prinzing zitierend: "Es ist durch zahlreiche internationale Studien belegt, dass historische Unterschiede das Rollenverständnis eines Journalisten prägen und seine Art, mit Informationen umzugehen. Sie sind Wurzelwerk verschiedenartiger journalistischer Kulturen."

Daher werde auch Objektivität in jeder journalistischen Kultur anders interpretiert. Der Schweizer Journalistenkodex etwa würde Objektivität gar nicht erwähnen, in seiner Praxis lehne der Schweizer Presserat Objektivität als Leitwert sogar ab, und zwar zugunsten von Fairness und Transparenz. Und zu den Unterschieden: In mediterranen Ländern werde ein "polarisierender Journalismus" gepflegt, der politisch, parteiergreifend und wenig professionalisiert sei; das nordeuropäische Modell sehe hingegen einen "neutral-kommerziellen Journalismus" vor, das nordatlantische Modell wiederum einen "neutral-proessionellen Informationsjournalismus", wie Studer aus internationalen Studien zitiert. Zugleich seien die Herausforderungen an den Journalismus in Westeuropa und in Osteuropa enorm unterschiedlich; die kulturellen Bedrohungen der Medienethik in Ost und West würden sich "stark unterscheiden".

In Westeuropa handle es sich zum Teil um "Wohlstandsverwahrlosung". Studer: "Steht die Mauer zwischen redaktioneller Integrität und Public Relations, zwischen Informationsjournalismus und Werbebotschaft noch?" In Osteuropa gehe es hingegen um die Druckausübung seitens postkommunistischer Machthaber auf kritische Medienstimmen.

Kriterien für die besten Presseräte

Die Erfahrungen würden allerdings zeigen, dass "noch so hochgemute Bekenntnisse zu Ethik im Journalismus Buchstaben bleiben, wenn sie nicht mit einer Wächterinstanz und einem Beschwerdeverfahren verknüpft sind". Der französische Experte Claude-Jean Bertrand habe Kriterien für "beste Presseräte" formuliert: Selbstregulierung (Journalisten, Verleger, Öffentlichkeit), Kodex und Beschwerdewesen, alle drei Massenmedien als Objekte sowie Freiwilligkeit und Publizität als Sanktion.

Einige Kriterien könnte Österreichs neuer Presserat erfüllen, der noch heuer starten soll. (c r)

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