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Mit 80 Prozent der Stimmen wurde Heinz Fischer im April zum Bundespräsidenten gewählt. Anmerkungen eines Philosophen zu seiner zweiten Angelobung und zur Ästhetik des Amtes.

Heinz Fischer könnte den Gehsteig absperren. Er tut es nicht. So können wir auf dem Heldenplatz an seinem Arbeitszimmer vorbeispazieren, wenn wir schon nicht die Gelegenheit haben, in seine Amtsräume einzutreten. Diese Amtsräume der historisch aufgeladenen Präsidentschaftskanzlei sind es, über die sich seit je die Ästhetik der Präsidenten der Bundesrepublik vermittelt: Bilder von sich selbst in den Amtsräumen auf Fotos und im Fernsehen. Das leichte rot-weiß-goldene Rokoko mit den Teppichen der schweren Hofburg verleiht eine Macht auf Abruf, gewählt zu sein, nicht einmal ernannt, schon gar nicht durch sich selbst.

Wahlkampf, glückliche Momente des Designs. Vor einem Riesenfoto von diesen Räumen konnten SchülerInnen auf YouTube „hofburg on tour“ spielen. „Heinz Fischer“ passt zum vorangestellten „Bundespräsident“, wie seine Vorlieben Bergsteigen und Jazz zu bezwungenem Alpenland und zwischen Klassik und Popmusik passen. Die 1995 gegründete Rock-Guppe „Heinz“ reißen beim Wahlkampf-Konzert Margit und Heinz Fischer zu einem Boogie-Woogie hin. Das unterstützende Personenkomittee gibt in schrillste Farben gekleidet eine Pressekonferenz. Und dann nutzt Fischer soziale Internetseiten wie etwa sein heifi2010. Hi-Fi, High Fidelity, hohe Treue des Klangs? Rückgriff auf die goldenen 60er-Jahre? Trifft dies unsere hohen Erwartungen?

Die vielen Akte des Staatsoberhauptes

Ein Bundespräsident handelt wie jeder Politiker in Sprechakten. So gibt es die institutionellen Akte: die Beauftragung oder Bestätigung von Regierungen, der Oberbefehl über das Bundesheer, die mögliche Auflösung des Nationalrats, die Beurkundung von Bundesgesetzen oder auch nicht, der Staatsvertrag, der handelsorientierte Staatsbesuch, die Begnadigung.

Den größeren Teil machen die formellen, öffentlichen Akte der Ehrungen aus – mehr als tausend verliehene Ehrenzeichen allein im Jahr 2009 – und dann die informellen, öffentlichen Akte: die zahlreichen Reden und Grußworte zu Feiertagen, Gedenktagen, Einweihungen und Eröffnungen. In diesen Ansprachen geht es selbstredend immer auch um Stellungnahmen zu politischen Personen, Zuständen, Ereignissen.

Bei diesen öffentlichen Sprechakten zeigt sich die Person des Bundespräsidenten am stärksten. Er wägt ab, gleicht aus und ergreift Partei auf eine überparteiliche Art. Indem er mit moralischem Rückgrat für das Land spricht, steht er nicht nur über Legislative, Judikative und Exekutive. Er kann auch der Publizitive als vierter Gewalt der Demokratie Impuls und Korrektiv sein.

Das ist der eigentliche Moment des Präsidenten, sein Freiraum. Er müsste mehr denn je ein Gewicht setzen gegen die zehn Sekunden, die die Medien den Politikern abpressen, jenen „Maschinen der Beredsamkeit“, die schon Kant kritisierte. Fischer ergreift diesen Moment mit einer Bildung, Schlagfertigkeit und Intellektualität, die ihresgleichen suchen. Man lese alles fein säuberlich dokumentiert auf www.hofburg.at nach.

Die Rede ist das Element des Bundespräsidenten. Claus Reitan hat in der FURCHE am 29. April von Heinz Fischer eine große Rede gefordert. Sie darf erwartet werden wie Richard von Weizsäckers Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs. Wohl bräuchte es einen internationalen Anlaß. Zugleich müsste die Rede in alle Winkel Österreichs dringen.

Der aus Österreich vertriebene Neurologe Eric Kandel lobte „Im Gespräch“ auf Ö1 den Bundespräsidenten für seine Konversation anläßlich seiner Einladung ins Hotel Sacher. Dieses Lob sollte Fischer als ein Signal zu einer Skizze einer möglichen Politik von Kunst, Bildung und Wissenschaft aufnehmen. Wissenschaftsminister war Fischer schon. Dass Fischer auch mit zeitgenössischer Kunst etwas anfängt, hat er durch zahlreiche Eröffnungsreden wie zu COOP HIMMELB(L)AUs großer Retrospektive oder durch sein Treffen mit der serbischen Performancekünstlerin Marina Abramovic gezeigt. Wieso also nicht eine Bildungsrede halten?

Weil Fischer sich nicht einer Partei, einem Regierungsprogramm verpflichtet, kann er als Intellektueller auftreten. Der Bundespräsident, ein Intellektueller? Jedenfalls ein Kritiker, der sein Objekt, die österreichische Gesellschaft, Kultur und Politik, weniger wie ein politischer und mehr wie ein Kunstkritiker behandeln müsste.

Tag der offenen Tür, ja. Live-Diskussionen im Internet, ja. Aber sollte Fischer nicht auch das Interesse der Medien durch mehr Auftritte in ungewohnten Zusammenhängen anziehen? Eine öffentliche Fragestunde etwa vor dem Wiener Derby mit Diskussion? Und doch bleibt kraft der Autorität des Amts die Rede das Instrument Nummer eins des Bundespräsidenten.

Das Amt lebt. Parodien beweisen es. Sprechakte sind das ideale Objekt des Kabaretts. Das Kabarettistentrio maschek hat es überzeugend vorgeführt.

Die Gefolgschaft stimmt bedenklich

Das Trio unterlegte nämlich Bilder des Bundespräsidenten gekonnt live mit ihren Stimmen. Roman Palfrader hat es bewiesen. Er trat in seiner mehrjährigen Fernsehshow „Wir sind Kaiser“ so in Erscheinung, dass unmöglich der Bundespräsident nicht mitgedacht war. Auch die Alternativkandidatur seines Kammerdieners Seyffenstein zu der Kandidatur Heinz Fischers heuer war noch eine Bestätigung der allgemein üblichen Redewendung vom Bundespräsidenten als Ersatzkaiser. Dass aber Palfrader als ein Abziehbild vorrepublikanischer imperialer Chefs mit einem antidemokratischen autoritären Gehabe beim Publikum fanatische Gefolgschaft fand, stimmte dann doch ernst.

Wie immer Heinz Fischer es macht, wenn er es gut macht, ist es auch zu seiner Ehre und der des Amts dazu. Es ist dann nicht nur Ehre für sich selbst, sondern Ehre, eingespielt durch Ehrungen an andere.

Das ist die symbolische Ebene der Macht. Mit ihr hängt die Repräsentation zusammen. Der Bundespräsident repräsentiert die oberste Macht des Staats. Aber er muss nicht regieren. Es ist dieser Trick der repräsentativen Demokratie, der eine Entspannung bringt, die ästhetisch wirkt. Das Staatsoberhaupt ist Ruhepol in einer Zeit ohne Rast und Ruhe. Fischer kann im Rahmen der Verfassung einen Stil entwickeln, der sich von jenem der Regierungsmacht abkoppelt. Sie erlaubt Stil in Grenzen, aber nicht sich, sondern dem Staatsoberhaupt. Ihm nehmen wir den Stil ab, wenn er nur nicht aufdringlich ist und an Inhalten festgemacht bleibt. So glauben wir an eine reale Illusion. Diese Illusion geht mit Zeremonien einher. Sie sind an das Gesetz der Öffentlichkeit gebunden, dem Argument. An diesen Stil der Macht glauben wir, nur an diesen.

Peter Mahr

Der Autor dieses Beitrages, Peter Mahr, ist Dozent für Philosophie an der Universität Wien. Habilitation 2006 über „Philosophische Ästhetik“ am Institut für Philosophie der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften der Universität Wien.

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