Der Süden bricht auf

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Die aufstrebenden Nationen des Südens und Ostens sind nicht mehr zu negieren, sondern bestimmen in breitem Maße die Weltwirtschaft und auch die Weltpolitik. Die Reformgespräche beim Europäischen Forum Alpbach standen heuer unter dem Motto "Emerging Markets - Emerging Partners". Wo liegt das Verbindende, wo das Trennende, und wo liegen die künftigen Herausforderungen in einer Welt, die nicht mehr nur vom Dreierblock USA-EU-Japan bestimmt wird? Dieses Spezial entstand in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich.

Das Trennende zwischen etablierten Industrienationen und den aufstrebenden neuen Märkten - den "emerging markets" - verschwindet zusehends, und was bleibt, sind Probleme und Herausforderungen, die allen gemein sind. Kürzlich ließ Der Standard mit einem Bericht aufhorchen, dass nicht nur westliche Staaten mit einem Facharbeiter-Mangel zu kämpfen haben. China und Indien können ihr Wachstum auf Dauer nicht halten, da sie - zwar an der so genannten menschlichen Ressource nicht arm - dennoch nicht über ausreichend ausgebildete Arbeitskräfte verfügen.

In Indien ist die Hälfte der 1,1 Milliarden Menschen unter 24 Jahre alt, doch erreicht die Analphabetenquote 40 Prozent und nur zehn Prozent der 18 bis 24-Jährigen machen eine höhere Ausbildung. Trennt den Westen also doch mehr von den Emerging Markets, als ihn mit ihnen verbindet? Die Probleme liegen im Detail vielleicht woanders, doch auch diese Staaten müssen sich darüber Gedanken machen, wie sie den Sprung zu einer Wissensgesellschaft schaffen können.

Neue Partner …

Auch im Umweltbereich gibt es verbindende Probleme. Agerico Lacanlale, Direktor im Büro für "Organisational Strategy & Learning" bei der UNIDO in Wien, ging im Rahmen der Alpbacher Reformgespräche, die heuer unter dem Motto "Emerging Markets - Emerging Partners" standen, unter anderem darauf ein, dass der CO2-Ausstoß Chinas und Indiens im Jahr 2020 das Doppelte des heutigen Ausmaßes erreichen wird. Doch selbst diese Menge reicht nicht aus, um die USA in den Schatten zu stellen, darum wird eine nachhaltige globale Umweltpolitik nicht umhinkommen, neben den aufkeimenden neuen Märkten des Ostens und Südens auch Haupt-Umweltverschmutzer wie die USA in die Pflicht zu nehmen.

Dass gemeinsame globale Anstrengungen zu unternehmen künftig nicht mehr bedeuten wird, dass die USA mit der EU und Japan zusammenarbeiten, sondern, dass diese auch Indien und China miteinbeziehen müssen, ist für Dirk Messner, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, klar. Der weltweite politische Einfluss dieser beiden "neuen" Größen kann laut Messner nicht mehr negiert werden, und will man eine globale Finanzkrise lösen, so wird man auch diese Länder in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen müssen. Die ebenfalls neuen Märkte wie Russland, Türkei, Thailand oder Argentinien seien hier ausgenommen, denn sie nehmen zwar in ihrer Region eine wichtige Rolle ein, beeinflussen die Weltwirtschaft aber in einem vergleichsweise kleineren Maß als China und Indien. Für Messner stellt sich jetzt bereits ganz klar die Frage: "Wird Europa künftig eine relevante Rolle in der Welt spielen oder nur an der Peripherie vorkommen?" Die kleinteilige nationalstaatliche Struktur der EU wird einer europäischen Dimension weichen müssen, um auch in Hinkunft noch ein maßgebliches Gewicht gegenüber den Emerging Markets zu haben, ist Messner überzeugt. Die EU wird lernen müssen, dass ihre asiatischen Beziehungen genauso wichtig sind wie die transatlantischen.

… gleiche Probleme!

Etwas Neues macht oft Angst. Dieser Angst nicht nachzugeben, ist Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl wichtig: "Wir dürfen nicht den Demagogen nachlaufen, die bei jeder Gelegenheit über, die' Ausländer schimpfen." Viel wichtiger sei es, vernünftig und ohne Vorbehalte Probleme zu diskutieren, so könne der Facharbeiter-Mangel in Österreich nicht allein mit Inlands-Maßnahmen gelöst werden, sondern bedarf auch einer breiten Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Staatsbürger. Und nicht, so ist Leitl überzeugt, so wie in der jetzigen Form, dass pro Jahr 800 Facharbeiter für 51 Wochen in Österreich eine Arbeitserlaubnis bekommen können und dann wieder gehen müssen. Neben dem für Leitl übermäßigen Schutz des heimischen Arbeitsmarktes sieht er auch Probleme in der Asylpolitik: "Es kann nicht sein, dass Menschen jahrelang auf ihren Asylbescheid warten müssen. Ein Asylverfahren muss innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden, alles andere ist unmenschlich."

Die Frage, wie fair der Reichtum auf der Welt verteilt ist, wurde auch in Alpbach gestellt. Einig waren sich gleichwohl alle Diskutanten, dass gerade die ärmsten Länder der Welt nicht allein gelassen werden dürfen, dass reiche Länder geradezu ethisch verpflichtet sind, sich unter anderem um Afrika zu kümmern. Beim Wie scheiden sich aber die Geister, das zeigte auch die von Leitl und Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter vorgestellte und geforderte Entwicklungsbank, die für viele für ein willkommenes Bindeglied zwischen Kommerzbank und Entwicklungshilfe steht, für andere aber nichts mit Hilfe zur Selbsthilfe zu tun hat, sondern als weitere Exporthilfe für heimische Betriebe angesehen wird. Fakt ist, dass Österreich seinen gegebenen Versprechen in Sachen Entwicklungszusammenarbeit noch nicht gerecht wird, und weiter, dass sich 85 Prozent des weltweiten Reichtums auf 24 OECD-Staaten konzentrieren, diese Länder aber nur über 15 Prozent der Weltbevölkerung verfügen. Um diese Diskrepanz zu ändern, braucht es neue Lösungen. Die Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO wollte diese finden und geriet ins Stocken. Nun sind bilaterale Abkommen im Vormarsch. Nicht grundlos, wie Morley Nkosi, Executive Chairman von MAN Ferrostaal aus Südafrika, ausführte: "Wir können nicht warten, bis wir uns über Marktzugänge und Agrarförderungen geeinigt haben, während unsere Leute leiden." Mehr Bilateralismus führt aber auch zu komplexeren Welthandelsstrukturen, wenn für jedes Land andere Einfuhrbestimmungen gelten.

Beim Thema Afrika fordert Franz Fischler, Präsident des Ökosozialen Forums, die Industrienationen auf, nicht in einen Neokolonialismus zu verfallen, der in den afrikanischen Ländern nur günstige Rohstofflieferanten sieht. Es müssen vor Ort entwickelte Initiativen unterstützt werden, denn die Meinung, dass der Westen/Norden besser wisse, was gut für die Entwicklung von armen Ländern ist, ist überholt.

Auch herkömmliche Wirtschaftsbeziehungen können zur Linderung der Not beitragen. Dazu bedarf es laut Heinz Messinger, Chef von AME International, der Korrektur des westlichen Bildes von Entwicklungsländern, der Begegnung mit den Menschen vor Ort auf Augenhöhe und des Interesses für Land und Leute. "Wer es nicht schafft, auf der persönlichen Ebene eine Beziehung zum Markt aufzubauen, ist jedenfalls falsch am Platz."

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