Paul Gauguin: Der große Baum - © Foto: Getty Images / Sepia Times/Universal Images Group

Der Süden: Kompassnadel des Glücks

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Er war das gelobte Land, die idealisierte Sehnsuchtsdestination vieler Europäer: der Süden. Die Wurzeln dieses Wunschbildes reichen weit in die Geschichte zurück. Es ist ein facettenreiches, mythologisch überhöhtes Bild voller Klischees. Mit dem realen, globalen Süden hat es wenig zu tun.

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Er war das gelobte Land, die idealisierte Sehnsuchtsdestination vieler Europäer: der Süden. Die Wurzeln dieses Wunschbildes reichen weit in die Geschichte zurück. Es ist ein facettenreiches, mythologisch überhöhtes Bild voller Klischees. Mit dem realen, globalen Süden hat es wenig zu tun.

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„Ab in den Süden“: Davon träumen Millionen von Eu-
ropäern und machen sich auf den Weg, Sommer für Sommer. Ihr Traum speist sich aus einer – im kollektiven Bewusstsein tief verankerten – Polarität, dem Gegensatz vom kalten, dunklen Norden und dem flirrenden, sinnlichen Süden. Nichts schien dieses Südweh bisher anzufechten, weder der Klimawandel noch so manche Krisenlage in südlichen Ländern, wie weit immer dieser Raum auch gefasst wird. Denn der Süden ist weitaus mehr als eine geografische Koordinate. Er ist eine seit der Antike imaginierte Kontrastwelt, zunächst ausgeschmückt durch wilde Spekulationen, dann nach und nach idealisiert als Destination der Glückseligkeit. Als eine Sphäre der Freiheit und Sinnlichkeit, als paradiesische Gegenwelt zur vernunft- und leistungsorientierten Alltagsroutine des Nordens.

Der Süden ist eine der vier Haupthimmelsrichtungen, zu deren Bestimmung der Kompass dient. Die Kompassnadel richtet sich immerzu Nord/Süd aus, nach den magnetischen Polen der Erde. „Perdre le nord“ sagt man im Französischen für „die Orientierung verlieren“. Unsere Orientierung ist also nach Norden ausgerichtet, unsere „Kompassnadel des Glücks“ weist aber nach Süden, resümiert der deutsche Germanist Dieter Richter in seiner äußerst lesenswerten Kulturgeschichte „Der Süden“ (Wagenbach 2003). Der Nord-Süd-Gegensatz, so der Autor, sei „über Jahrhunderte zu einer Leitidee der europäischen Geschichte“ geworden.

Terra incognita

Richter zeichnet die Geschichte des Südens in breiter Perspektive nach: als reale und ideelle Topografie, als Koordinate einer mentalen und politischen Geografie, als ästhetisch und spirituell aufgeladene Sphäre.

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