Der tägliche Psychohorror

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Die Regisseurin der "Männer" schreibt über Männer, Frauen, Töchter und andere Verrückte.

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Die Regisseurin der "Männer" schreibt über Männer, Frauen, Töchter und andere Verrückte.

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Doris Dörrie: Der Name weckt Assoziationen. Mit dem Film "Männer" wurde die Regisseurin bekannt. Kinobesuchern blieb vor allem die Szene in Erinnerung, in der sich der unglückliche Ehemann in einer Gorillamaske versteckt. Er will von seiner Frau, die ihn verlassen hat, nicht erkannt werden. Daß Dörrie auch schreibt, ist weniger bekannt. Bisher hat sie Erzählungen veröffentlicht. Nun landete sie einen neuen Wurf: "Was machen wir jetzt?" Der Film dazu ist auch schon im Anrollen.

Was ist heute "in", wenn man Probleme hat? Wo sucht ein trendiger Mensch Zuflucht? Vielleicht in einer fernöstlichen Philosophie? So hält es jedenfalls Claudia in Doris Dörries erstem Roman, die sich in ihrer Not dem Buddhismus und Meditationsstunden zuwendet, während ihr Mann die eheliche Krise mit einem Seitensprung zu bewältigen sucht. Aber da gibt es auch noch eine 17-jährige Tochter, die sich in einen Lama verliebt und nach Indien auswandern will. Um das "Kind" von dieser Idee abzubringen, wird eine gemeinsame Strategie ausgeheckt.

Für die Bewältigung der eigenen Probleme haben sie keine, denn sie können nicht mehr miteinander reden: "Sie legt unvermittelt auf und jetzt vermisse ich sie ... Am besten verstehe ich mich mit ihr, wenn sie nicht da ist." Hier wird in einer flotten Schreibe mit sehr viel Gefühl und Humor aus der Sicht des Mannes eine heutige Kleinfamilie geschildert, mit allen aktuellen Kalamitäten und Konfliktlösungsstrategien, die derzeit üblich sind. Doris Dörries Blickwinkel, als Frau die Beziehungsprobleme aus der Perspektive des Mannes darzustellen, machte schon den Film "Männer" so interessant und erfolgreich und bewährt sich auch beim Schreiben.

Natürlich gibt es, wie auch im Leben, in diesem Roman rundherum lauter Leute, die mit Partnerschaftsproblemen und Lebenskrisen raufen. Das Buddhacamp ist bevölkert mit solchen, jedoch nicht nur dieses. Selbst in einem stinknormalen Schweizer Autobahnrestaurant wird der grübelnde Protagonist in die Krise eines deutschen Paares verstrickt: "Die Rösti und das Geschnetzelte sitzen vereint und schadenfroh in einem dicken Klumpen in meinem Magen ... als eine Familie hereingestolpert kommt, die schon von weitem als Deutsche zu erkennen ist."

Dörrie ist eine gute Beobachterin und hat ein ausgeprägtes Gespür für die menschlichen Probleme unserer Zeit. "Mit der Einsamkeit habe ich mich nie anfreunden können", denkt Fred Kaufmann, "ständig ist sie mir auf den Fersen. Sie ist mir unheimlich und unangenehm. Ich mag sie nicht. Sie setzt sich neben mich und sieht mich spöttisch an." Er denkt es stellvertretend für viele Menschen in unserer vereinsamenden Gesellschaft. Er zweifelt am Sinn des Lebens, kämpft mit allen üblichen Ängsten, der Angst vor dem Älterwerden, vor dem Verlust der Familie, der Zukunftsangst, und die Reise, die schließlich zur Selbstfindung führt, ist so voll trockenem Humor und in einer so flapsigen Sprache geschildert, daß das Buch zu einer richtig vergnüglichen Lektüre wird. Ein zeitgeistiger Roman, dynamisch geschrieben, aus dem Leben gegriffen, voll Mitgefühl, ernsthaft, aber auf eine überhaupt nicht anstrengende Art.

Was machen wir jetzt? Roman von Doris Dörrie Diogenes Verlag, Zürich 2000. 302 Seiten, Pb., ös 291.-/e 21,15,

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