Der Teufel geht nicht in Pension
Der Böse schläft nicht, und jetzt hat er sogar eine Biographie.
Der Böse schläft nicht, und jetzt hat er sogar eine Biographie.
Der Engländer Peter Stanford hat sich ein außergewöhnliches Subjekt für eine Biographie gewählt. Nämlich den Teufel. Derzeit führt Satan ja eher ein zurückgezogenes Leben in der dogmatischen Rumpelkammer der Kirche. Zwar unterhält die katholische Kirche noch immer ein flächendeckendes Netz von Exorzisten, aber deren Namen kennen nur die Bischöfe. Der Katechismus von 1993 erwähnt den Bösen nur noch am Rande: "Dass Gott das Tun des Teufels zulässt, ist ein großes Geheimnis, aber ,wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben alles zum Guten führt.' (Röm. 8, 28)" Stanford führt in seiner Biographie "Der Teufel" auf fast 400 Seiten aus, dass der gefallene Engel in den bisher 2.000 Jahren seiner offiziellen Existenz über Jahrhunderte ein Leben im Rampenlicht der Öffentlichkeit führte: "Andere Religionen kannten bösartige Götter und Geister, aber keine hat eine vergleichbar vollständig ausgearbeitete Gestalt geschaffen, die konkrete, benennbare Verkörperung der abstrakten Realität des Bösen."
Stanford lädt zu einer spannenden Reise durch "teufelszentrierte" Perioden. Während bei Juden und Moslems der "Herr der Fliegen" keine große Rolle spielt, war für Christen das Dilemma gewaltig: Hier ein allmächtiger und allwissender Gott - also konnte das Leiden der Menschen unmöglich ohne sein Einverständnis geschehen. Dieser Gott wurde als ein grenzenlos Liebender beschrieben. Woher also kam das Böse in die Welt? Die naheliegende Antwort: Es gibt zwei Mächte, eine gute, Gott, und eine böse, den Teufel. Damit aber war Gott die Allmacht abgesprochen. Die katholische Kirche kämpfte mit allen Mitteln gegen den dualistischen Ansatz des Weltverständnisses. Im ersten Teil der Biographie zeigt Stanford, welche Vorstellungen vom Bösen aus Persien, Ägypten, Mesopotamien, Kanaan und Griechenland in die christliche Teufelsgestalt eingeflossen sind. Dann führt er in die Welt des Mittelalters, in der die Missionare, die ab dem fünften Jahrhundert den neuen Glauben in ganz Europa verbreiteten, den Teufel als wertvollen Verbündeten entdeckten. Was den Heiden etwa im Norden Europas heilig war, wurde mit dem Teufel assoziiert. Die Heiden verehrten Orte in der Natur. Daraus wurden "Teufelsschluchten", "Teufelsstege", die Namen leben bis heute fort. Moslems und Juden konnte man als Satans-Anhänger verfolgen. Ebenso christliche Sekten wie die Katharer, die Gott in der Gestalt des Teufels einen ebenbürtigen Gegenspieler entgegensetzten.
Die Macht des Teufels über die Welt erreichte zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt, als der Hexenwahn in ganz Europa wütete. In katholischen wie protestantischen Ländern herrschte eine kollektive Hysterie von epochalem Ausmaß. An die 100.000 Menschen wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil sie angeblich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten.
Die interessantesten Kapitel - aber das mag subjektiv sein - scheinen mir jene, in denen die Dichter zu Wort kommen: Dantes Hölle, Miltons "Verlorenes Paradies", William Blake, Joseph Conrads "Herz der Finsternis".
Machten die Aufklärer dem Teufel zwar intellektuell den Garaus und Sigmund Freud dasselbe psychologisch (das Böse als Teil psychischer Triebkräfte), so ist ein Nachruf auf den Bösen dennoch nicht angesagt. Satanisten treiben in den USA, in England und Norwegen ihr gefährliches Unwesen. Sie reden Menschen ein, dass sie besessen seien und "gereinigt" werden müssten. Dahinter verbergen sich nachweislich perverse sexuelle Gelüste. Teufel ade? In der Alltagskultur lebt er weiter. Und nicht nur als Krampus.
Der Teufel - Eine Biographie Von Peter Stanford, Übersetzung: Peter Knecht, Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 366 Seiten, geb., öS 364,-/e 26,45
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