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Burgschauspielerin Maria Happel über ihre nächste Premiere in Oscar Wildes "Der ideale Mann“ | in der Fassung von Elfriede Jelinek und über die Kunst und Ambivalenz des Komisch-Seins.

Eine Stunde vor Beginn der Vorstellung von Heinrich Kleists "Der zerbrochne Krug“ treffen wir Maria Happel, die zurzeit die Marthe Rull am Akademietheater spielt, bestens gelaunt in ihrer Künstlergarderobe zum Gespräch …

Die Furche: Während wir miteinander sprechen, verwandeln Sie sich langsam in Frau Marthe Rull. Was ist für Sie an Kleists "Der zerbrochne Krug“ interessant?

Maria Happel: Kleists Konflikt ist hochaktuell, da hat sich bis heute wenig verändert. Als Mutter von Eve hat Marthe Rull natürlich ein Problem damit, dass dieser Typ, der Dorfrichter Adam, sich an ihre Tochter herangemacht hat. Als Mutter zweier Töchter sage ich selbst: Nicht die gleichaltrigen Burschen machen mir Sorgen, sondern die älteren Männer, die es auf junge Mädchen abgesehen haben. Was hat man denn für eine Chance, auch in diesen Zeiten? Schauen wir uns die Affären um Dominique Strauss-Kahn oder Silvio Berlusconi an. Was können wir denn tun, um solche Leute zu kriegen? Da ist Kleist schon spannend, der all das hervorholt und beleuchtet, was unter dem Teppich liegt.

Die Furche: Sie inszenieren ja auch selbst seit einigen Jahren. Möchten Sie mehr Regie führen oder mehr spielen?

Happel: Es gibt Rollen, die möchte ich gerne spielen, und es gibt Texte, die würde ich gerne inszenieren. Da gibt es eine ganze Reihe an Komödien, diese Tür-auf-Tür-zu-Stücke etwa eines Feydeau finde ich reizvoll. Ich würde aber auch gerne einmal selbst Kleist inszenieren und solch schwierige Partituren für die Bühne übersetzen. Seit ich am Reinhardt Seminar unterrichte, bin ich auch selbst stärker damit beschäftigt, die "Staffel“ weiterzugeben.

Die Furche: Wenn Sie inszenieren, dann spielen Sie häufig auch in eine kleinen Rolle mit. Warum ist das so?

Happel: Tja (lacht), ich bin einfach nicht so feige wie die anderen Regisseure, die nach der Premiere abreisen. Ich bin auch danach dabei und habe alles Weitere mit zu verantworten. Im Sommer inszeniere ich bei den Festspielen Reichenau Johann Nestroys "Frühere Verhältnisse“ und werde auch selbst die Pepi Amsel spielen, diesmal also auch ein größere Rolle.

Die Furche: Seit 2010 spielen Sie in "SOKO Donau“ die Gerichtsmedizinerin. Was macht mehr Spaß, Film und Fernsehen oder Theater?

Happel: Das Theater ist unmittelbarer, man hat Publikum, das ist ja der Grund, warum ich Schauspielerin geworden bin. Am Theater herrschen ja ganz eigene Gesetzmäßigkeiten, die wir nur teilweise mitbestimmen können. Da gibt es so viele Aspekte, die zusammenspielen, die machen auch den Nervenkitzel aus. Vor der Kamera kann man alles wiederholen, und man ist mehr oder weniger allein. Dafür erreicht man viel mehr Zuseher, was natürlich auch faszinierend ist. Unlängst, als ich mit dem Taxi heimfuhr, hat mich der Fahrer gleich erkannt und fragte interessiert, ob ich wirklich Ärztin sei. Als ich verneinte, meint er, dass ich mich dafür doch recht gut in der Medizin auskenne.

Die Furche: Und wie sieht es mit Wien-Berlin aus? Claus Peymann hat Sie 2000 ans Berliner Ensemble geholt, Sie sind aber 2002 wieder zurück ans Burgtheater gekommen. Wo leben und arbeiten Sie lieber?

Happel: Wien ist für Theaterleute einfach so etwas wie die Insel der Seligen. Hier sind die Menschen am Theater interessiert, es ist eine fixe Institution, die nicht wegzudenken ist. In Wien hat das Theater einen anderen Stellenwert als in Berlin, wo man ständig kämpfen muss. In Wien sind die Menschen zwar grantig, aber insgesamt freundlicher als in Berlin, wo ich eigentlich eher die kalte Schnauze mitbekommen habe. Dabei bin ich mit einem Berliner verheiratet!

Die Furche: Sie probieren gerade Oscar Wildes "Der ideale Mann“ in der Bearbeitung von Elfriede Jelinek. Sie spielen darin die Mabel Chiltern. Was ist denn das für eine Figur?

Happel: Die Mabel ist eine 22-jährige höhere Tochter, Wilde beschreibt sie als den Inbegriff englischer Schönheit, er nennt sie den Apfelblütentypus. Ironisch betrachtet schließt sich für mich damit ein Kreis: Ich komme ja aus dem Spessart, wo es ein legendäres Fest gibt, bei dem jährlich ein Mädchen zur Apfelblütenkönigin gewählt wird. Ich habe den Preis immer ersehnt, aber leider nie bekommen. Dafür spiele ich jetzt Wildes Apfelblüten-Schönheit! Vom Charakter ist die Mabel aber eher wie ein überzüchteter Chihuahua. Sie leidet an Gefühls- und Realitätsverlust, kennt nur Pflicht- bzw. Vernunftehen.

Die Furche: Was darf man sich denn von der Bearbeitung erwarten? Werden wir mehr Jelinek sehen oder mehr Wilde?

Happel: Ich denke, dass beide auf ihre Kosten kommen. Sowohl Wildes als auch Jelineks Sprache zeichnen sich durch eine außerordentliche Musikalität aus, hier liegt auch ein Schnittpunkt. Deutlich ist schon, dass Jelinek in diesen Figuren ihre eigenen findet. Dadurch zieht Jelinek das Stück auch woanders hin. Die Gesellschaft ist natürlich mehr in Wien angesiedelt. In ihrer Fassung wirft sie den Blick auf gesellschaftliche Ausgrenzung und auf die Verbindung von Macht und Korruption. Das Thema ist im Stück deutlich angelegt.

Die Furche: Sie arbeiten nun zum dritten Mal mit der Regisseurin Barbara Frey, die Hartmann als Intendantin in Zürich nachgefolgt ist. Wie geht sie an das Stück heran?

Happel: Barbara Frey und Elfriede Jelinek verbindet eine große Musikalität. Frey spielt außerdem Schlagzeug und Orgel - wie Jelinek und übrigens auch ich. Das bedeutet, wir können zur gleichen Zeit mit der linken Hand etwas anderes spielen als mit der rechten. Daraus resultiert in der Arbeit mit Frey ein enormes Tempo. Bei ihr muss man wahnsinnig schnell sein. Man hat das Gefühl, dass man gar nichts mehr spielen muss. Das ist die große Kunst. Dadurch wird das Spiel so echt, trocken und komisch.

Die Furche: Sie gelten ja auch als große Komödiantin und werden häufig in komischen Rollen besetzt, was bedeutet das für Sie?

Happel: Ich spiele derzeit in acht Stücken, und die Rollen sind ja nicht alle komisch. Jede Münze braucht die Kehrseite, nicht umsonst stehen die Masken als Symbol für das Theater, die lachende und die weinende. Die guten Tragöden tragen den Komödianten immer in sich und umgekehrt. In Wahrheit kann man über den Komödianten ja nur dann wirklich lachen, wenn er auch tragische Seiten hat. Die Lust, beides zu spielen, ist die gleiche. Allerdings ist es manchmal einfacher, mit einem lachenden Gesicht den ausklingenden Abend zu verbringen, als sich vom weinenden wieder zu lösen.

Die Furche: Zusammen mit Kirsten Dene, Michael Maertens, Johann Adam Oest und Matthias Matschkestehen Sie im "Idealen Mann“ als hochkarätig-komisches Ensemble auf der Bühne. Was darf man erwarten?

Happel: Die Arbeit macht unglaublich viel Spaß. Lustig ist auch, dass Matschke, Oest und ich aus der gleichen Gegend (Odenwald, Spessart) kommen, das heißt, in dieser Besetzung könnten wir das Stück problemlos auf hessisch-fränkisch geben! Mit Kirsten Dene spielte ich übrigens zuletzt auch in einem Jelinek-Stück, in "Raststätte oder Sie machens alle“. Da saß ich mit ihr zusammen auf dem Klo. "Der ideale Mann“ wird auf jeden Fall Überraschungen bieten, die auch mit Bettina Meyers Bühnenbild zu tun haben. Nur so viel sei erstmals verraten: Wir werden Eulen nach Athen tragen!

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