Der unerschrockene Gottesmann am Xingu

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Er gehört einer verschwindenden Generation an: Längst sind #Missionare# aus dem Norden rar geworden. Längst rekrutieren die Ortskirchen im Süden auch ihre Leitung vorwiegend aus einheimischen Kräften. Der Aufbruch der oft gar nicht mehr so #jungen# Kirchen nach dem II. Vatikanum hat diese unumkehrbare Entwicklung forciert. Dennoch ist das Wirken des Vorarlbergers Erwin Kräutler als Bischof in Brasilien ein Glücksfall # auch fürs Brückenbauen zwischen Norden und Süden: Ohne #Dom Erwin#, wie ihn die Seinen nennen, würde hierzulande das Schicksal der indigenen Völker Amazoniens kaum wahrgenommen werden. Und auch der Kampf gegen den Belo-Monte-Staudamm, der unter anderem ein Drittel von Kräutlers Bischofsstadt Altamira unter Wasser setzen wird, fände wenig Resonanz.

Brasiliens zurzeit linke Administration rund um Noch-Präsident Lula, die sich in Sachen Staudamm einzementiert hat, wird sich über den Alternativen Nobelpreis, den Erwin Kräutler am 6. Dezember in Stockholm entgegennimmt, kaum freuen: eine schädliche Publizität für diese Interessen, aber nicht nur eine längst fällige Anerkennung für Dom Erwin, sondern # hoffentlich # ein wenig buchstäblich physische Unterstützung für einen hoch Gefährdeten; denn unter den Augen der Weltöffentlichkeit mordet es sich weniger leicht: #Man wird sich, weil ich international bekannt bin, zehnmal überlegen, ob man mir persönlich etwas antut#, meinte Kräutler vor einigen Jahren auch im FURCHE-Interview.

Dennoch gehört der Bischof seit Jahren zu den höchst gefährdeten Personen in Brasilien: 1983 verprügelte ihn die Militärpolizei wegen der Teilnahme an einer Solidaritätsaktion für die indigene Bevölkerung. 1987 überlebte er einen Mordanschlag schwer verletzt, sein Ordensbruder und enger Mitarbeiter Hubert Mattle wurde 1995 am Bischofssitz Altamira ermordet. 2005 wurde auch die US-Ordensfrau Dorothy Stang, eine enge Mitarbeiterin von Kräutler, von Schergen eines Großgrundbesitzers umgebracht. Auch auf Kräutlers Kopf haben Hintermänner aus diesem Bereich mehrere Hunderttausend Euro ausgesetzt. Das alles hat sein Engagement aber keineswegs geschmälert.

Erwin Kräutler wurde 1939 in Knoblach/Vorarlberg geboren. Er trat bei den Missionaren vom kostbaren Blut ein und ging 1965 nach seiner Priesterweihe als Missionar ins Amazonasgebiet. 1981 folgte er seinem Onkel Erich Kräutler als Bischof der Xingu-Prälatur nach. Seine Diözese ist flächenmäßig die größte Brasiliens # in ihren 350.000 Quadratkilometern hat Österreich viermal Platz. Allerdings leben nur 400.000 Menschen in diesem gefährdeten Regenwaldgebiet. Kräutler leitet auch den Indianermissionsrat CIMI der Brasilianischen Bischofskonferenz, der landesweit wie international eine Lobby für die indigenen Völker am Xingu und anderswo darstellt.

2009 verlieh die Universität Salzburg ihrem einstigen Studenten das theologische Ehrendoktorat. Diese Würdigung war auch eine Wiedergutmachung, denn 1992 war Kräutler vom damaligen Erzbischof Georg Eder als Eröffnungsredner der Salzburger Hochschulwochen ausgeladen worden. Natürlich stellte solch kirchlicher Kleingeist nichts im Vergleich zur Gefährdung dar, der Dom Erwin in seiner heutigen Heimat ausgesetzt ist.

Zweifelsohne hat der streitbare, aber der jesuanischen Botschaft der Gewaltlosigkeit durch und durch verpflichtetet Gottesmann auch den Friedensnobelpreis verdient. Eine Kampagne dafür läuft bereits.

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